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Lexika und Dokumentationen

Zeitzeugenberichte zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa im 20. Jahrhundert

Autobiographie [Siebenbürgen, 1940-1945]

Autor: Mark P., Notar, geb. 1904; Hans H., Pfarrer

Quellenbeschreibung: Maschinenschriftliches Transkript eines autobiographischen Berichts von Max P. (23 Blatt, S. 22 fehlt), zwei Begleitschreiben ("Vorbemerkung", 1 Blatt, "'Nihil sine Deo' Die Autobiographie des Mark P. und der Bericht von Max D. Beitrag über das Schicksal der jüdischen Bevölkerung aus Sächsisch-Regen in Nord-Siebenbürgen 1944-1945", 4 Blatt) und die Zusammenfassung eines weiteren autobiographischen Berichts ("Max D.s Erinnerungen an eine schreckliche Zeit", 2 Blatt) von Hans H.

Entstehungszeit: ca. 1980

Entstehungszusammenhang: Der Bericht entstand als Reaktion auf eine 1980 geschaltete Annonce von Hans H. in der ungarischsprachigen Tel Aviver Zeitung Új Kelet, in der er um Berichte zum Schicksal der Juden in Sächsisch-Regen bat.

Entstehungsort: Beverly Hills u.a.

Zeitraum der Schilderung: 1940-1945

Personen: Miklós Horthy (1868-1957), Vizeadmiral, letzter Oberbefehlshaber der österreichisch-ungarischen Kriegsmarine, 1920-1944 Reichsverweser (Staatsoberhaupt) des Königreichs Ungarn1; Miklós Kállay (1887-1967), ungarischer Premierminister 1942-1944; Döme Sztójay (1883-1946), 1944 Ministerpräsident und Außenminister Ungarns2; László Endre (1895-1946) 1944 Unterstaatssekretär im ungarischen Innenministerium3; László Baky (1889-1946), 1944 Stellvertretender Staatssekretär im ungarischen Außenministerium4; László Ferenczy (1898-1946), Oberstleutnant der ungarischen Gendarmerie, 1944 Verbindungsoffizier zum Sicherheitsdienst der SS und zum Sonderkommando Eichmann, Organisator der Deportation der ungarischen Juden, Kommandeur der mit der Deportation der Juden betrauten Gendarmerie-Einheiten5; Edmund Veesenmayer (1904-1977), Staatsrechtler, SS-Brigadeführer, 1944 Reichsbevollmächtigter in Ungarn6

Schlagworte: Antisemitismus, Ghetto, Holocaust, Konzentrationslager

Geographische Schlagworte: Sächsisch-Regen, Siebenbürgen, Auschwitz, Mauthausen

Konkordanz: Sächsisch-Regen→ Reghin, ungarisch: Szászrégen, Rumänien; Auschwitz → Oświęcim, Polen

Fundort: Siebenbürgern-Institut Gundelsheim, Signatur B I 88; https://bkge.de/zeitzeugen/institutionen/siebenbuergen-institut

Editionsmodus:Vollständiges Digitalisat des Transkripts


Inhalt:

Der Autor berichtet kursorisch von seinem Leben in Nordsiebenbürgern, wo der Verfasser als angesehener Bürger zahlreiche freundschaftliche Kontakte zu Nichtjuden pflegte. Nach der Annexion der Region durch Ungarn wurde er zunächst diskriminiert, schließlich ins improvisierte Ghetto von Sächsisch-Regen gebracht und zusammen mit seiner Familie nach Auschwitz deportiert. Den Hauptteil der Schilderung nehmen seine Erlebnisse als jüdischer Häftling in verschiedenen Konzentrationslagern, vor allem in Auschwitz, ein. Herrn P.s Aufzeichnungen werden ergänzt durch Herrn H.s Beschreibung der politischen Entwicklung in Ungarn ab 1940 und der Verfolgung der ungarischen Juden sowie der Zusammenfassung eines weiteren Erlebnisberichts eines jüdischen KZ-Häftlings aus Siebenbürgen.


Einordnung/Kommentar:

Jüdisches Leben in Ungarn blickte zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf eine lange Tradition zurück, die bis in die Antike reichte. Die meisten ungarischen Juden waren, wie auch in Herrn P.s Bericht zu erkennen, assimiliert, definierten sich als Ungarn und unterstützen die ungarischen Autonomiebestrebungen in der Habsburger Doppelmonarchie. Ein Teil der jüdischen Bewohner gehörte dem städtischen Bildungs- und Wirtschaftsbürgertum an und gehörte zu den wichtigen Modernisierungsfaktoren Ungarns. Dennoch begegnete ihnen seit dem für Ungarn ungünstigen Ausgang des Ersten Weltkriegs in steigendem Maße Antisemitismus.7

1941 zählte das Regime des "Reichsverwesers" Miklós Horthy 725.007 Juden im Königreich; hinzu kamen 100.000 getaufte Juden.8 Die rechtlichen Grundlagen dieser Zählweise waren in Anlehnung an die antisemitischen Nürnberger Gesetze des Deutschen Reiches erlassen worden.Zwischen dem Königreich Ungarn und dem Deutschen Reich bestanden in der Zwischenkriegszeit enge Verbindungen. Ungarn hatte ebenso wie Deutschland am Ende des Ersten Weltkriegs einen großen Teil seines Staatsgebietes verloren und sah deshalb im Deutschen Reich einen Verbündeten im Kampf um die Revision der Pariser Vorortverträge. Staatsoberhaupt Miklós Horthy und zahlreiche andere führende Politiker waren selbst antisemitisch eingestellt, Vertreter des Regimes hielten schon vor 1933 Kontakt zu führenden Nationalsozialisten. Ungarn profitierte von der deutschen Wirtschaftspolitik und schließlich auch von den beiden Wiener Schiedssprüchen von 1940, die Ungarn Teile der Tschechoslowakei und Rumäniens zusprachen.9 Bereits im Mai 1938, hatte das Regime erste antijüdische Gesetze erlassen.10 Am 11. März 1939 wurde der Munkaszolgálat eingeführt, ein Arbeitsdienst unter militärischem Kommando für jüdische Männer zwischen 20 und 48 Jahren, von dem auch Herr P. berichtet. Für Juden und getaufte Juden ersetzte dieser Dienst den Wehrdienst und war nicht nur deshalb diskriminierend, weil er die Betroffenen damit aus der übrigen männlichen Bevölkerung ausgrenzte, sie wurden auch im Dienst als Juden beziehungsweise Konvertiten gekennzeichnet.11 Die Männer wurden vor allem im Bergbau und zur Errichtung militärischer Befestigungen eingesetzt, während des Krieges auch außerhalb Ungarns. Vor allem bei Einsätzen in der Ukraine kam es zu großen Verlusten - auch weil die Rote Armee die Männer als Kombattanten betrachtete. Einen Teil der Männer rettete der Arbeitsdienst jedoch vor der Ermordung, da Arbeitskräfte gebraucht und die jüdischen Arbeitsdienstleistenden deshalb bis Kriegsende - auch unter deutschem Kommando - zum Schanzen eingesetzt und nicht in die Vernichtungslager deportiert wurden.12

Herr P. war zu diesem Zeitpunkt bereits aus dem Arbeitsdienst entlassen worden, nachdem er erst relativ spät eingezogen worden, da er zum Zeitpunkt der Einführung des Munkaszolgálat kein ungarischer Staatsbürger war. Siebenbürgen gehörte zu den Regionen, die Ungarn im Vertrag von Trianon1920 an Rumänien hatte abtreten müssen. Rumänien wurde wiederum am 30. August 1940 durch den Zweiten Wiener Schiedsspruch, den das Deutsche Reich und Italien durchgesetzt hatten, gezwungen, das sog. Nordsiebenbürgen mit zum Teil mehrheitlich ungarischer Bevölkerung an Ungarn zurückzugeben. Die 165.000 Juden des Gebietes fielen damit unter die antijüdische Gesetzgebung Ungarns, Herr P. musste seinen Beruf als Notar aufgeben und den Arbeitsdienst leisten.13Allerdings lebten die Juden in Ungarn bis ins Frühjahr 1944, als die Ermordung ihrer Glaubensgenossen in anderen europäischen Regionen schon weitgehend abgeschlossen war, noch relativ sicher.14 Die ungarische Regierung unter PremierministerMiklósKállay gab dem Drängen der Deutschen, die ungarischen Juden zu deportieren, nicht nach.15 Dennoch wurden 18.000 in Ungarn ansässige Juden, welche nicht die ungarische Staatsbürgerschaft besaßen, bereits vor 1944 ermordet.16

Am 19. März 1944 besetzte die deutsche Wehrmacht Ungarn, um angesichts der näherrückenden Ostfront einem Ausscheren Ungarns aus seinem Bündnis mit Deutschland zuvor zu kommen. Premierminister Kállay wurde durch den rechtsextremen "Pfeilkreuzler" DömeSztójay ersetzt, dem der SS-Brigadeführer Edmund Veesenmayer als Bevollmächtigter des Deutschen Reiches zur Seite gestellt wurde.17 Die antijüdischen Maßnahmen wurden umgehend verstärkt, unter anderem wurde die Kennzeichnung der Juden eingeführt und die Juden wurden enteignet.18Ein Sonderkommando der SS unter Adolf Eichmann reiste an, um die Vernichtung der ungarischen Juden zu organisieren.19Durchgeführt wurden Erfassung, Ghettoisierung und Deportation der Juden jedoch von der ungarischen Gendarmerie.20Am 28. April 1944 wurde die Ghettoisierung der Juden offiziell angeordnet, diese hatte aber bereits zwölf Tage zuvor im äußersten Nordosten Ungarns begonnen. Im nördlichen Siebenbürgen wurden die ersten Juden am 3. Mai 1944 in Ghettos, zumeist Synagogen, Gemeindezentren und leerstehenden Fabriken, gebracht. Insbesondere Ziegeleien waren, wie auch in Sächsisch-Regen, als besonders geeignete Ghettoorte ausgemacht worden.21Die Aktion wurde bereits am 10. Mai abgeschlossen, etwa 98.000 Juden waren erfasst worden.22

In dem mittelgroßen Ghetto in Sächsisch-Regen waren etwa 4.000 Menschen, darunter 1.400 aus dem Umland, untergebracht.23 Sie lebten dort wie in allen ungarischen Ghettos unter menschenunwürdigen Bedingungen. Sie bekamen nur wenige Lebensmittel, wurden medizinisch nicht versorgt und mussten völlig unzureichende hygienische Verhältnisse ertragen. Manche mussten sogar unter freiem Himmel übernachten. Folterungen, um Wertsachen zu erbeuten, gehörten so selbstverständlich zum Umgang mit den Opfern, dass sich für den in allen Ghettos eingerichteten speziellen Folterort sogar ein eigener Begriff - Pénzverde (Münze) - einbürgerte.24

Die Ghettos bildeten nur eine Zwischenstation während der Deportation. Diese begannbereits am 15. Mai 1944 in der Front nächstgelegenen Regionen, also zuerst im Nordosten Ungarns, dann folgte ab dem 16. Mai das nördliche Siebenbürgen. Abgeschlossen wurde die Aktion in diesem Raum am 8. Juni 1944.25 In Sächsisch-Regen wurde das Ghetto am 4. Juni aufgelöst und die Insassen wie von Herrn P. beschrieben durch den Ort zum Bahnhof getrieben.26 Sie wurden wie alle ungarischen Juden in überfüllten Güterwagons über Kaschau (ung., slwk. Kosiče), wo die SS die Transporte übernahm, nach Auschwitz gebracht. Bis auf wenige Männer in Arbeitsdiensteinheiten wurden fast alle Juden Nordsiebenbürgens, zu diesem Zeitpunkt noch circa 130.000 Personen, deportiert.27 Insgesamt wurden aus Ungarn bis zum 9. Juli 1944 etwa 434.000 Personen nach Auschwitz deportiert, von denen die meisten sofort vergast wurden. Zusammen mit den bereits zuvor und später ermordeten und den an anderen Orten ums Leben Gekommenen starben so über 564.000 ungarische Juden.28Lediglich in Budapest überlebte eine größere Gruppe, weil Reichsverweser Horthy die Deportationen am 7. Juli 1944 gestoppt hatte und die SS diese Juden als Faustpfand für Verhandlungen mit den Alliierten nutzen wollte.29

Herr P. wurde wie alle 1944 deportierten ungarischen Juden nach Auschwitz gebracht.30 Das Konzentrationslager Auschwitz war nicht als Vernichtungslager gebaut worden, vielmehr hatte sich aus einem verkehrsgünstig gelegenen Gefangenenlager, das auch als eine Art zentraler Umschlagplatz für den Häftlingseinsatz fungierte, zunächst ein Industriezentrum entwickelt, in dem die Häftlinge des Konzentrationslagers für verschiedene Betriebe der SS und der kriegswichtigen Industrie arbeiten sollten.31 Viele der Zwangsarbeiter überlebten die oft schwere Arbeit nicht.32 Dies war durchaus beabsichtigt, sollten Juden und Slawen doch als angebliche "Untermenschen" der "Vernichtung durch Arbeit" anheimfallen. Dementsprechend waren die Lebensbedingungen und die Behandlung der Häftlinge nicht darauf ausgelegt, sie längere Zeit am Leben zu erhalten.33 Erst die lange Dauer des Krieges, die es notwendig erscheinen ließ, dass KZ-Häftlinge für die deutschen Rüstungsindustrie arbeiteten, führte zu einer moderaten Verbesserung des Loses der Gefangenen.34 Dennoch starb in Auschwitz mindestens die Hälfte der registrierten Häftlinge.35

Herrn P.s Beschreibungen des Alltags in Auschwitz verdeutlichen die Gründe für dieses Massensterben. Sie entsprechen darin den Beschreibungen anderer Häftlinge.36Juden hatten die schlechtesten Überlebenschancen, da sie in der rassischen Hierarchie der Nationalsozialisten ganz unten standen.37 Für sie wie für alle Häftlinge war die Hoffnung, zu überleben, ausgesprochen wichtig, ebenso, ob sie einer Gruppe angehörten, die sie in dieser Hoffnung bestärkte und sie in Krisen- und Notsituationen unterstützte.38 Da es unter den Haftbedingungen schwierig war, enge, vertrauensvolle Bindungen aufzubauen, war es für Herrn P. und seinen Schwager vorteilhaft, dass sie gemeinsam inhaftiert worden waren.

Ähnlich wichtig für das Überleben war die Arbeitsstelle, welche dem Häftling zugewiesen wurde. Oft waren die Arbeitsbedingungen so hart und gefährlich, dass ein Großteil der Gefangenen schnell an Erschöpfung oder den Folgen von Arbeitsunfällen starb, beispielsweise in Steinbrüchen oder beim Bau von Stollen.39 Die Deutschen Ausrüstungswerke, für die Herr P. arbeiten musste, waren ein von der SS gegründetes Unternehmen, das mit Betrieben in mehreren Konzentrationslagern die Arbeitskraft der Häftlinge ausbeutete. Die Werke stellten sehr unterschiedliche Produkte her, von Textilien bis zu Baumaterialien. In Auschwitz führten sie Instandsetzungsarbeiten für die deutschen Streitkräfte durch.40 Derartig kriegswichtige Aufgaben garantierten den Häftlingen vergleichsweise gute Arbeitsbedingungen, waren deshalb aber auch begehrt und wurden bevorzugt an qualifizierte Arbeitskräfte vergeben41 - daher die Behauptung Herrn P.s, er sei Schlosser. Auch seine Sprachkenntnisse dürften ihm geholfen haben - aus seinem täglichen Umgang mit Siebenbürger Sachsen verstand er deutsch und konnte damit den Arbeitsanweisungen besser folgen.42

Wie wenig das Leben ihrer Opfer den Nationalsozialisten galt, wird durch die ebenfalls von Herrn P. geschilderte Selektion bei der Ankunft in Auschwitz deutlich: Nur wer noch fähig war zu arbeiten,wurde ins Lager eingewiesen, alle anderen wurden sofort in Gaskammern getötet - von 1,3 Millionen Häftlingen, die nach Auschwitz deportiert wurden, wurden weit über 900.000 unmittelbar nach ihrer Ankunft ermordet.43Die Neuankömmlinge, die sofort vergast werden sollten, wurden von einem aus Häftlingen bestehenden Sonderkommando betreut. Dessen Aufgabe war es, die Todeskandidaten möglichst reibungslos in die Gaskammern zu bringen. Im Anschluss an deren Ermordung musste das Sonderkommando die Leichen ausplündern und verbrennen. Um keine Zeugen für diesen Massenmord zu schaffen, wurden immer wieder die Angehörigen des Sonderkommandos getötet und durch andere Häftlinge ersetzt. Die Betroffenen wussten, dass das Sonderkommando eigens für die Ermordung der ungarischen Juden im Sommer 1944 aufgestockt worden war und nach Beendigung dieser Aktion wieder verkleinert werden würde. Ein Teil von ihnen griff deshalb am 7. Oktober 1944die Wachen an,zerstörtemit Hilfe eingeschmuggelten Sprengstoffs ein Krematorium und versuchte zu fliehen, um dem sicheren Tod zu entkommen. Alle beteiligten Häftlinge wurden dabei von den Wachmannschaften getötet, ebenso diejenigen, die ihnen von ihren Arbeitsplätzen den Sprengstoff besorgt hatten, sowie zur Abschreckung weitereAngehörige des Sonderkommandos, insgesamt etwa 450 Personen.44 Herr P. berichtet, dass nach diesem Aufstand keine Transporte mehr ankamen - dies hing aber nicht mit dem Aufstand zusammen, sondern damit, dass die ungarischen Juden die letzte große Gruppe bildeten, die den Nationalsozialisten zum Opfer gefallen ist. Die Ermordung der europäischen Juden war weitgehend abgeschlossen, weitere Transporte nach Auschwitz waren nicht mehr notwendig.45

Zwischen 9.000 und 15.000 Menschen fielen auch den sogenannten Todesmärschen aus dem Konzentrationslager Auschwitz zum Opfer. Die SS wollte verhindern, dass die Häftlinge von der Roten Armee befreit wurden und zwang sie deshalb zwischen dem 17. und dem 23. Januar 1945, nur wenige Tag vor der Ankunft der Roten Armee in Auschwitz, nach Westen zu marschieren. Wer dem Marschtempo nicht folgen konnte, wurde erschossen. Ziel eines dieser Märsche war das Konzentrationslager Mauthausen bei Linz.46

Dort wurden die neu angekommenen Häftlinge auf verschiedene Außenlager verteilt. Bei diesen Außenlagern handelte es sich um kleinere Lager, die bei Industriebetrieben, Steinbrüchen und anderen Arbeitsstättenangelegt worden waren, wo die Arbeitskraft der KZ-Häftlinge eingesetzt werden sollte. Die Lebensbedingungen in diesen Lagern waren sehr unterschiedlich. Sollten die Häftlinge qualifizierte Arbeit leisten, beispielsweise in Industriebetrieben, konnten ihre Lebensbedingungen besser sein als im Stammlager; mussten sie in erster Linie körperlich schwere Arbeiten ausführen, waren die Überlebenschancen oft sehr gering.47Das Außenlager Melk, in das Herr P. gebracht wurde, war in der Birago-Kaserne des ehemaligen österreichischen Heeres untergebracht. Hier mussten die Gefangenen Stollen in den Berg treiben, in denen von der Steyr Daimler Puch AG Kugellager gefertigt wurden. Sehr viele Häftlinge starben aufgrund der schlechten Arbeitsbedingungen.48

Das Lager Melk wurde Mitte April 1945 geräumt, die erwachsenen Gefangenen wurden ins Konzentrationslager Ebensee gebracht.49 Auch Ebensee war ein Außenlager Mauthausens, in dem Stollen für die Rüstungsindustrie gegraben wurden. Das Lager wurde am 6. Mai von amerikanischen Truppen befreit, nachdem der Lagerkommandant am Vortag vom Widerstand der Häftlinge daran gehindert worden war, die Lagerinsassen in die von ihnen gegrabenen Stollen zu treiben und dort zu töten.50 Dennoch kam die Rettung für viele der völlig ausgemergelten Lagerinsassen zu spät, zu sehr hatten die Entbehrungen sie geschwächt51 - auch Herrn P.s Schicksal gibt darüber Auskunft.

Herr P. bewahrte trotz der extrem belastenden Erfahrungen im Konzentrationslager eine grundsätzlich positive Erinnerung an seine Heimat in Nordsiebenbürgen. Wie viele Menschen, welche aufgrund des Krieges die Regionen, in denen sie verwurzelt waren, für immer verlassen mussten, hielt er Kontakt zu Bekannten aus der Kriegs- und Vorkriegszeit, schwärmte wehmütig von der Schönheit seiner Heimat und beklagte, wie sehr sie sich verändert habe - "Eine vergangene Welt."52 "Es bleiben uns nur Erinnerungen an eine ausgelöschte schöne und frohe Welt".53

1 Sakmyster 1994; Jäckel, Longerich, Schoeps 1998, S. 623f.

2 Jäckel, Longerich, Schoeps 1998, S. 1391.

3 Nagy-Talavera 1997; Jäckel, Longerich, Schoeps 1998, S. 412; Matić 2002, S. 249-251.

4 Jäckel, Longerich, Schoeps 1998, S. 151f.

5 Jäckel, Longerich, Schoeps 1998, S. 510.

6 Jäckel, Longerich, Schoeps 1998, S. 1486f.

7 Gerlach, Aly 2002, S. 50-61; Braham 2000, S. 19-21, 29; Ungváry 2005, S. 42f; Badrus 1998, S. 97; Jäckel, Longerich, Schoeps 1998, S. 1464.

8 Braham 2000, S. 24f, 29f, 252.

9 Christof 1998; Balogh 2011; Braham 2000, S. 24; Jäckel, Longerich, Schoeps 1998, S. 1462.

10 Braham 2000, S. 24f; Gerlach, Aly 2002, S. 37-50; Ungváry 2005, S. 43-47.

11 Braham 2000, S. 37-52; Jäckel, Longerich, Schoeps 1998, S. 970, 1464.

12 Braham 2000, S. 49; Jäckel, Longerich, Schoeps 1998, S. 971, 1467.

13 Jäckel, Longerich, Schoeps 1998, S. 1309.

14 Braham 2000, S. 31.

15 Sakmyster 1994, S. 291-293.

16 Braham 2000, S. 32-37; Jäckel, Longerich, Schoeps 1998, S. 1465.

17 Matić 2002, S. 221-232, 249-263; Braham 2000, S. 62f; Jäckel, Longerich, Schoeps 1998, S. 1463, 1486f.

18 Matić 2002, S. 252.

19 Matić 2002, S. 231f, 249f; Braham 2000, S. 64f; Gerlach, Aly 2002, S. 127f.

20 Molnár 2005; Braham 2000, S. 69-71, 99-132.

21 Braham 2000, S. 127-132.

22 Braham 2000, S. 128

23 Braham 2000, S. 131.

24 Braham 2000, S. 118f; Gerlach, Aly 2002, S. 141-144; Holzträger 1979, S. 63; Jäckel, Longerich, Schoeps 1998, S. 510f, 1309, 1466.

25 Braham 2000, S. 137.

26 Braham 2000, S. 131.

27 Jäckel, Longerich, Schoeps 1998, S. 1310.

28 Braham 2000, S. 153, 252; Jäckel, Longerich, Schoeps 1998, S. 1468.

29 Braham 2000, S. 155-179; Matić 2002, S. 255-263; Gerlach, Aly 2002, S. 325-343; Jäckel, Longerich, Schoeps 1998, S. 624, 1467.

30 Benz, Distel 2006b, S. 141f, 144, 147-150; Gerlach, Aly 2002, S. 274-298; Matić 2002, S. 249.

31 Piper 1998, S. 399, 409.

32 Schulte 1998.

33 Vgl. Benz, Distel 2006b, S. 99-106.

34 Piper 1998, S. 399, 411f; Kaienburg 2005, S. 182, 191; Freund 2010, S. 21, 35-41.

35 Piper 1998, S. 409.

36 Vgl. Obenaus 1998.

37 Freund 2010, S. 35, 349-355, 379-386.

38 Freund 2010, S. 343.

39 Zimmermann 1998, S. 744; Kaienburg 2005, S. 187.

40 Kaienburg 2005, S. 181f.

41 Vgl. Freund 2010, S. 35.

42 Vgl. Freund 2010, S. 343.

43 Benz, Distel 2006b, S. 75, 122, 144; Piper 1998, S. 409f; Gerlach, Aly 2002, S. 274-298.

44 Knopp 2009, S. 5-17; Friedler, Siebert, Kilian 2002; Benz, Distel 2006b, S. 131-132, 148, 152f; Świebocki 1998, S. 970.

45 Knopp 2009, S. 15.

46 Hammermann 2006, S. 130f; Blatmann 1998, S. 1071f; Strzelecki 1998; Benz, Distel 2006a, S. 293-346, 407; Benz, Distel 2006b, S. 153-156; Freund 2010, S. 15-27, 37, 379-382; Herr P. beschreibt, dass seine eintätowierte Häftlingsnummer aus Auschwitz durch eine Mauthausener Häftlingsnummer verdeckt wurde, welche in ein Blechtäfelchen eingestanzt war. Die Kennzeichnung der Häftlinge nach dem Vorbild der soldatischen Erkennungsmarken war in Mauthausen Usus (Freund 2010, S. 356).

47 Kaienburg 2005, S. 187, 193; Freund 2010, S. 35-41.

48 Benz, Distel 2006a, S. 405-408; Freund 2010, S. 21, 23, 35-37.

49 Freund 2010, S. 381f.

50 Freund 1989, S. 119-128, 145-419; Freund 2010, S. 23, 27-52; Benz, Distel 2006a, S. 354-360.

51 Freund 1989, S. 429-446; Freund 2010, S. 49f; Pertz, Freund 2007, S. 176.

52 Quelle, S. 2.

53 Quelle, S. 23.


Literatur:

Badrus 1998: Nadia Badrus: Das Bild der Siebenbürger Sachsen über die Juden. Einige Anhaltspunkte. In: Konrad Gündisch, Wolfgang Höpken, Michael Markel (Hg.): Das Bild des anderen Siebenbürgen. Stereotype in einer multiethischen Region. Köln, 1998, S. 85-108

Balogh 2011: Béni L. Balogh: The Second Vienna Award and the Hungaro-Romanian Relations. Boulder/Colorado 2011

Benz, Distel 2006a: Wolfgang Benz, Barbara Distel (Hg.): Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Band 4. Flossenbürg, Mauthausen, Ravensbrück. München 2006

Benz, Distel 2006b: Wolfgang Benz, Barbara Distel (Hg.): Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Band 5. Hinzert, Auschwitz, Neuengamme. München 2006

Blatman 1998: Daniel Blatmann: Die Todesmärsche - Entscheidungsträger, Mörder und Opfer. In: Ulrich Herbert, Karin Orth, Christoph Dieckmann (Hg.): Die nationalsozialistischen Konzentrationslager. Entwicklung und Struktur. Band 2. Göttingen 1998, S. 1063-1092

Braham 2000: Randolph L. Braham: The Politics of Genocide. The Holocaust in Hungary. Detroit 2000

Christof 1998: Friedrich Christof: Befriedung im Donauraum. Der Zweite Wi