Künstlerin
Nelli Smirnjagina (Kaliningrad); zeitgenössische Künstlerin, Absolventin der Alexander von Stieglitz-Akademie für Kunst und Gewerbe Sankt Petersburg. Sie befasst sich insbesondere mit historischen Themen (Personen, Städte); ihr Werk umfasst u.a. Pastelle, Aquarelle, Ölgemälde und Porträts.
Werk
„In den Zeiten von Kant", Pastell auf Papier; entstanden 2004; Größe: 49 x 49 Zentimeter
Interpretationshinweise: Smirnjagina setzt sich in einer Reihe von Werken mit der Vergangenheit und Zerstörung von Königsberg und der Entstehung von Kaliningrad sowie mit Immanuel Kant und seiner Zeit auseinander. Im Zentrum des Pastells „In den Zeiten von Kant" steht der Königsberger Dom. Die darüber aufsteigende Möwe ist eine Botin Gottes, die mit ihren weit geöffneten Flügeln für die Verbindung mit dem Universum und für Universalität steht. Sie ist zugleich ein Symbol des (nahegelegenen) unendlichen Meeres und der Freiheit des Menschen. Auf dem Platz vor dem Dom befinden sich tanzende oder zumindest fröhliche Menschen in der Kleidung des 18. und 19. Jahrhunderts. Darüber sind Porträts des preußischen Königs Friedrich II. des Großen (1712-1786; links oben), des jungen Immanuel Kant (1724-1804; links unten), von Andrej Bolotov (1738-1833; rechts oben) und von Jean-Jaques Rousseau (1712-1778).
Der russische Wissenschaftler, Schriftsteller und Philosoph Bolotov kam 1758 als Soldat mit den russischen Besatzungstruppen nach Königsberg. Seine Beschreibung verdeutlicht, dass keinerlei Hass die Kriegsparteien leitete. 1762 schrieb er zum Abschied: „Lebwohl geliebte und teure Stadt, lebwohl für immer. [...]. Möge der Himmel Dich vor allem Übel bewahren, möge er seine Güter freigiebig über Dir ausschütten! [...] Bis ans Ende meiner Tage will ich Deiner gedenken" (Andrej T. Bolotov: Ein Russe in Königsberg 1758-1762, in: Birgitta Kluge (Hg.): Königsberg in alten und neuen Reisebeschreibungen. Düsseldorf 1989, S. 36-39, das Zitat S. 39).
In dem in Frankreich mit Publikationsverbot belegten Schriftsteller und Staatstheorethiker Rousseau sah Kant einen Gesinnungsgefährten, vor allem nach Lektüre von dessen Schriften „Emile" (1761) und „Du Contrat Social" (1763). Paris und Königsberg sollten die Hauptwirkungsorte für den „Contrat Social" werden: praktisch in der französischen Revolution und theoretisch in Kants Werk. Das über dem Schreibtisch hängende Porträt Rousseaus war das einzige Bildnis in Kants Haus (vgl. Dieter Kaltwasser: Über sein Jahrhundert hinaus. Ein Rückblick auf die Neuerscheinungen zu Jean-Jacques Rousseau im Jubiläumsjahr 2012
˂http://www.glanzundelend.de/Artikel/abc/r/jean-jacques-rousseau.htm˃
Die vier Persönlichkeiten stehen für das Zusammenwirken von Herrschaft, Philosophie, Literatur und Wissenschaft, repräsentiert durch Intellektuelle aus unterschiedlichen Ländern. Das Pastell zeigt eine Idylle aus den früheren, glücklichen Tagen Königsbergs und ist gleichsam eine Werbung für die kulturelle Vielfalt. Es ist als Einladung zur Auseinandersetzung mit der Geschichte Königsbergs und Kaliningrads zu verstehen und als Anregung, diese Vergangenheit als Teil der heutigen Identität Kaliningrads wieder lebendig werden zu lassen.
Copyright / Aufbewahrungsort
© Nelli Smirnjagina; die weitere Verbreitung dieser Abbildung ist ohne ausdrückliche Zustimmung der Rechteinhaberin untersagt. Das Werk befindet sich in Privatbesitz.
Publiziert im November 2018
Zitierweise
Matthias Weber: Immanuel Kant in Werken der modernen Kunst – Nelli Smirnjagina: https://www.bkge.de/Projekte/Kant/matthias-weber/Smirnjagina_Nelli.php