Dieses Zitat stammt aus dem vierundvierzigsten Paragrafen der 1790 erschienenen „Critik der Urtheilskraft“ von Immanuel Kant. Ob der Autor ahnte, welche Folgen gerade dieser Gedanke für die Diskussion über Kunst haben sollte?
Nach der „Critik der reinen Vernunft“ (Riga 1781) und der „Critik der practischen Vernunft“ (Riga 1788) ist die „Critik der Urtheilskraft“ (Berlin, Liebau 1790) Kants drittes Hauptwerk; es ist in die beiden Hauptkapitel „Critik der ästhetischen Urtheilskraft“ und „Critik der teleologischen Urtheilskraft“ gegliedert. Im Folgenden ist das erste Kapitel von Interesse, in dem Kant eine Theorie der Ästhetik, bezogen auf das Schöne in der Natur wie in der Kunst, entwickelt. Die in der Auflage von 1793 (die der Neuausgabe durch die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften zugrunde liegt) 264 Textseiten umfassende „Critik der ästhetischen Urteilskraft“ ist keine einfache Lektüre, doch wurde sie zu einem Schlüsseltext der Ästhetik und der Kunstkritik.
Über Kants ästhetische Theorie wurde (und wird) aber nicht nur im Bereich der Philosophie diskutiert. Sie ist auch für die Auseinandersetzung mit der Ästhetik in der Musik, in der bildenden Kunst, in der Architektur, im Bereich des materiellen Kulturschaffens allgemein und besonders in den Kunst- und Bildwissenschaften zu einem erstrangigen Referenztext geworden.[2] Besonders im Diskurs über die Theorie des Ästhetischen in der Kunst werden Überlegungen Kants über die Konzeption und die Rationalität des ‚Schönen‘, des ‚Erhabenen‘ sowie des Geschmacksurteils immer wieder herangezogen:
Kant definiert das Schöne als ein nicht zweckorientiertes Wohlgefallen ohne weitere begriffliche Festlegungen und beschreibt das zwar subjektive aber dennoch verallgemeinerbare Geschmacksurteil und die ästhetische Erfahrung als freies Spiel von Erkenntnisvermögen, Einbildungskraft, Sinnlichkeit und Verstand. Es sind diese Erkenntnisse, die dazu geführt haben, dass die „Critik der ästhetischen Urtheilskraft“ vielfach für das Werk gehalten wurde (und wird), das der modernen Kunst den Weg geebnet hat.[4]
Obwohl Kants Theorie der Ästhetik eigentlich primär dem Naturschönen gewidmet ist, beziehen sich gerade auch Interpreten neuerer und zeitgenössischer Kunstwerke darauf. Der Ästhetiker Wolfgang Welsch hat dies 2007 in einem Essay näher untersucht, dabei die engen Wechselbeziehungen von Philosophie und Kunst beschrieben und angemerkt, dass sich die Philosophie in der neueren Kunst „eminenter Nachfrage“ erfreue und dass der Umfang, in dem sich heutige Künstler der philosophisch-ästhetischen Reflexion zuwenden, neuartig sei.[5]
In diesem ‚philosophiegetränkten’ (Welsch) Umfeld wenden sich schließlich auch die Künstler selbst Kants Werk zu und rezipieren seine Ästhetik vielfach als eine Theorie der modernen und zeitgenössischen Kunst, um eigenes Schaffen zu erklären und zu deuten. Die Resonanz der „Critik der ästhetischen Urtheilskraft“ in den Wissenschaften ebenso wie in den unterschiedlichen Bereichen der Kunst hält bis heute an.[6]
2. Fragestellungen, Projektziele, Forschungsstand
2. 1 Fragestellungen, Themen und Projektziele
Im Mittelpunkt des hier vorgestellten Projekts stehen jedoch nicht die vorstehend angesprochenen Fragen der Rezeption von Kants Ästhetik oder der Aufklärungsphilosophie durch die bildende Kunst. Die Philosophie bildet vielmehr den allgemeinen Rahmen und den Hintergrund, der Künstler zu entsprechenden Bezugnahmen auf Kant veranlasst haben und muss insofern in die durchzuführenden Werkanalysen einbezogen werden.
Ausgangspunkte des Projekts sind vielmehr in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bis zur Gegenwart entstandene Kunstwerke, die die Person Kant oder dessen Werk unmittelbar und direkt aufgreifen. Es geht um explizite und konkrete Bezugnahmen auf Kant in der modernen und zeitgenössischen Kunst.
Die in der Sprache, mit den Mitteln und den Ausdrucksformen der Kunst stattfindende künstlerische Auseinandersetzung mit Kant soll nachvollzogen und die ‚künstlerische Kommentierung’ Kants untersucht werden. Dabei wird von den Gegebenheiten und Besonderheiten jedes Einzelfalls ausgegangen, um zu untersuchen, welcher Art die Verbindungen zwischen dem Werk und dem Philosophen jeweils sind. Man wird dementsprechend individuelle Ergebnisse erwarten dürfen, die von Künstler zu Künstler und Werk zu Werk variieren werden.
Dabei ist nach den biographischen, in der Person des jeweiligen Künstlers liegenden Kontexten des Interesses und der Auseinandersetzung mit Kant ebenso zu fragen wie nach den künstlerischen, kulturellen, sozialen oder politischen Diskursen, in denen die jeweils betrachtete Arbeit steht.
Von Interesse ist dabei, welche Positionierungen von Künstlern zu Kant feststellbar sind, welche Urteile und Wertungen transportiert werden und welche (neue oder traditionelle) Aspekte des Kantverständnisses die ‚Kommentierung durch Kunst’ eröffnet. Eingeschlossen ist die Frage, ob hier auch – womöglich bislang nicht bekannte – Formen der Kritik speziell an Kant, seiner Rezeption oder allgemein an gesellschaftlichen Gegebenheiten geäußert werden.
Inwiefern die Thematisierung Kants in der modernen und zeitgenössischen Kunst zugleich auch mit einer werkimmanenten künstlerischen Rezeption der eingangs angesprochenen Kant’schen Ästhetik verbunden sein kann, wird sich im Einzelnen anhand der analysierten Werke zeigen.
Derartige Fragen können allerdings nur beantwortet werden, wenn die entsprechenden Kunstwerke für die Untersuchung und Auswertung bereitstehen. Eine Übersicht oder ein Verzeichnis der Kant thematisierenden Werke der modernen Kunst existiert bislang allerdings nicht. Daraus ergibt sich die erste Aufgabe im Rahmen des hier vorgestellten Projekts: Die Ermittlung und Zusammenstellung entsprechender auf Kant bezugnehmender Werke – also die Erarbeitung der Quellengrundlage.
Vorrecherchen wurden unter Nutzung der online-Abfrage von Museumsdatenbanken, Kontakten zu Künstlern sowie durch punktuelle Auswertung einzelner Sammlungen durchgeführt. Sie haben ergeben, dass sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bis in die Gegenwart international renommierte, ebenso wie weniger bekannte Künstler mit Immanuel Kant auseinandergesetzt haben und noch immer auseinandersetzen. Ihre Arbeiten sind in Museen weltweit vertreten. Ein Projektziel ist die erstmalige Zusammenführung, Kommentierung und Analyse einer Auswahl dieser weit verstreuten Werke.
2.2. Exkurs „Kaliningrad“
Aufmerksamkeit soll auch Werken russischer Künstler gewidmet werden, die sich, besonders in Kaliningrad – dem früheren Königsberg – mit Kant befassen. Hier stehen Person und Werk des Philosophen seit der politischen Öffnung der Region in den 1990er Jahren in einem spezifischen Kontext der Auseinandersetzung der russischen Bewohner mit dem kulturellen Erbe ihrer ehemals deutschen Stadt und dessen Aneignung.
Abbildung 1
Abbildung 2
Abb. 1 und 2: Einsendungen zur Kunstaktion „KANT PERFO-RATIO“, die auch auf die Bedeutung des Wortes „KAHT“ im Russischen (=Kante, Rahmen, Saum) anspielte. Der in Russisch und Englisch veröffentlichte Einladungstext lautet: KANT PERFO-RATIO. Frame, „KAHT“*, contiguous, that belongs neither completely to a wall, nor to a painting is the wohle point of the mail art project. Kant as a mount of the European civilisation. A stamp is a painting, that has a perforation at the edge of canvas as a frame. It is impossible to hang, but possible to glue. Lets glue every imperative to its place and time. – Russian-English dictionary *KAHT 1 (famous philosopher) Immanuel Kant; *KAHT 2-1. edging, piping. 2. mount (for picture, etc.). (Kaliningrader Kunsthistorisches Gebietsmuseum).
1994 wurden in Kaliningrad fast gleichzeitig zwei Projekte mit Bezug auf Kant realisiert: In der Kaliningrader Kunstgalerie wurde in Kooperation mit der Künstlergilde Esslingen unter dem Rahmenthema „Kant gewidmet“[7] eine Kunstausstellung Kaliningrader und Königsberger Künstler präsentiert. Im Kaliningrader Kunsthistorischen Gebietsmuseum wurde unter Leitung der Kuratoren Dmitry Bulatov und Valentina Pokladova das Kunstprojekt „Mail Art from Immanuel Kant: Perfo-Ratio“[8] Abbildung 1 und 2 durchgeführt („Mail Art“ ist die Bezeichnung für ein Kunstprojekt, welches aus per Post oder Email übersendeten Werken – Briefe, Karten, Skizzen, Dokumente usw. – zu einem gewissen Thema besteht, wobei nicht das einzelne Werk, sondern die Interaktion im Vordergrund steht.) „An der „Mail-Art-Aktion“ hatten sich weltweit rund 100 Künstler beteiligt und ihre Arbeiten eingesandt. Dass seinerzeit in Kaliningrad diese unkonventionelle künstlerische Form der Auseinandersetzung mit dem deutschen Philosophen gesucht wurde, war kein Zufall, sondern ein kreativer Weg, „neue Ideen und Gefühle auszudrücken und visuell komplizierte Dinge der Innenwelt des modernen Menschen darzustellen“.[9] 2001 wurde – wieder in der Kaliningrader Kunstgalerie und in der deutschen Partnereinrichtung, diesmal das Museum Ostdeutsche Galerie in Regensburg – die Ausstellung „Kunst für Kaliningrad-Königsberg“[10] gezeigt, die auch Werke über Kant enthielt.
Immanuel Kant ist heute in der Kunstszene Kaliningrads präsent. Hier hat die Kaliningrader Künstlerin Nelli Smirnjagina herausgehobene Bedeutung, denn viele ihrer seit 1992 entstandenen Gemälde und Porträts sind dem Philosophen und seiner Stadt Königsberg gewidmet. 2017 wurde im Kant-Museum (im Dom) Werke der Künstlerin in einer eigenen Ausstellung präsentiert,[11] die vom Ministerium für Kultur und Tourismus der Oblast‘ Kaliningrad gefördert wurde – ein Hinweis auf den hohen Stellenwert des Philosophen auch in kulturpolitischer Hinsicht.
2.3 Zum Forschungsstand
Die erste systematische Studie über den Einfluss Kants auf die visuelle Kunst, über dessen Rezeption durch Künstler und durch die Kunstgeschichte, wurde 2001 von dem in Toronto lehrenden Kunsthistoriker Mark A. Cheetham[12] vorgelegt. Darin wird unter anderem die Präsenz Kants unter den deutschen Künstlern in Rom um 1800, der Einfluss Kants auf die Entwicklung der ästhetischen Theorie in den kunstgeschichtlichen Studien von Heinrich Wölfflin (1864-1945) und Erwin Panofsky (1892-1968) sowie weiterer maßgeblicher Kunsthistoriker beschrieben. Ausgehend von dem Einfluss der Kant‘schen Ästhetik auf Caspar David Friedrichs Landschaftsbildern[13] führt Cheetham Belege für die weitere Kant-Rezeption im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert an, für die Einbettung seiner ästhetischen Theorie in den modernen Diskurs sowie zu dessen Einfluss auf den amerikanischen Kunstkritiker Clement Greenberg, der 1960 in seinem Werk „Modernist Painting“ Kant als „the first real Modernist“[14] bezeichnet hatte. Dieses Urteil Greenbergs wurde seinerseits eine Quelle kontroverser, bis in die Gegenwart reichender Debatten über den Einfluss von Kants Ästhetik auf die Kunst.[15]
Allerdings sind konkrete Bezugnahmen auf Kant in modernen Kunstwerken relativ selten, so dass Kants Einfluss (bzw. der Einfluss aufklärerischer Theorien) auf eine bestimmte Arbeit in vielen Fällen nur aufgrund bestimmter Gestaltungsmerkmale indirekt deduziert werden kann, nicht aber evident ist.[16] Deshalb ist für die vorliegende Studie von besonderem Interesse, dass Cheetham als erster und bislang einziger systematisch konkrete künstlerische Bezugnahmen auf Kant am Beispiel einiger neuerer Kunstwerke zeigt[17] und damit die Auseinandersetzung moderner Künstler mit Kant anspricht. Insofern ist Cheethams Studie hier wegweisend. Weitere systematische Forschungen mit dieser Fragestellung bestehen nicht.
Die im Zuge des Projekts ermittelten Kunstwerke mit Kant-Bezug werden mit den Methoden der wissenschaftlichen Bildinterpretation hinsichtlich ihres Bedeutungsgehalts analysiert. Dazu gehört jeweils die Auswertung der Sekundärliteratur sowie nach Möglichkeit von Äußerungen über das Werk von Seiten des Künstlers – jeweils insbesondere hinsichtlich des Bezuges zu Kant.
3. Kant in Werken der ‚älteren’ Kunst und ihre Dokumentation
3.1 Ältere Kant-Ikonographie
Abbildung 3:
Zu Lebzeiten Kants entstandene Porträts sind sehr selten. Das Porträt stammt von dem Königsberger Miniaturmaler Friedrich Wilhelm Springer und ist vermutlich 1795 entstanden. Es zeigt den Philosophen, der dem Künstler persönlich Modell gesessen hatte, in Dreiviertelansicht mit Stutzperücke in einem grünen Rock (Deutsches Historisches Museum, Berlin, Inv. Nr. Gr 2016/3).
Zunächst ist ein summarischer Blick auf die älteren auf Kant bezugnehmeden Kunstwerke (bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts) zu werfen, da diese die moderne Kunst beeinflusst haben. Die erste Manifestierung Kants in der Kunst sind die zu seinen Lebzeiten entstandenen Porträts und Plastiken,[18] die zum Teil[19] auf persönliche Bekanntschaften ihrer Urheber mit Immanuel Kant zurückgehen. Abbildung 3 Diesen Porträts, deren Entstehungsumstände und Aufbewahrungsorte erforscht, die beschrieben und verglichen wurden, hat die Kantforschung viel Aufmerksamkeit geschenkt. Den Porträts nach dem Berliner Maler Gottlieb Doebler wurde unlängst eine eigene Studie gewidmet.[20]
Zuletzt wandte sich Cheetham den Kant-Porträts mit einer neuen Fragestellung zu: Unter der Überschrift „Kants Schädel: Porträts und das Bild der Philosophie, von 1790-1990“[21] analysierte er die Konsequenzen, welche die hohe Wertschätzung Kants für die zeitgenössische Porträtkunst hatte. Er zeigte den Zusammenhang zwischen der damaligen Phrenologie (Lehre des Zusammenhangs von Schädelform, Gehirn und Charakter) und physiognomischen Spezifika der Kant-Porträts auf. Man glaubte im 18. und 19. Jahrhundert etwa, bei dem ‚Genie’ Immanuel Kant eine typische deutsche Nationalphysiognomie zu erkennen, und versuchte, dieser in den Porträts Ausdruck zu verleihen: Je stärker Kant als der überragende deutsche Philosoph stilisiert wurde, desto stärker wurde als Anzeichen seines Intellekts die Stirnpartie betont, um die Lehre der Phrenologie zu beweisen (besonders deutlich bei dem Miniatur-Porträt von Charles Vernet von 1792, das Kant ohne Perücke darstellt) – auch die bekannte Fotografie von Kants Schädel wurde später herangezogen, um diese Argumentation zu stützen.[22]
Die frühen Porträts entfalteten eine erhebliche Langzeitwirkung, weil sie die Vorlagen für die ‚Porträtproduktion’ des 19. und 20. Jahrhunderts waren und auf Kupferstichen, Gemälden, Zeichnungen, Standbildern, Briefmarken, Medaillen usw. vervielfältigt wurden. In der Gegenwart werden diese ‚Kant-Ikonen’ häufiger als je zuvor variiert und insbesondere in digitalen Bearbeitungen verfremdet. Die frühen Kantporträts dienen heute nicht zuletzt als Blaupausen für die Verwendung des Namens und der Person des Philosophen in den Medien und besonders auch im Bereich der Werbung. Dies hat zu einer neuen medialen Präsenz der frühen Porträts und der Person Kants geführt.
3.2 Dokumentationen der Kunstwerke mit Bezug auf Kant
Es gibt mehrere, unabhängig voneinander entstandene „Kantiana“-Dokumentationen, die auch Werke der bildenden Kunst erfassen: Der 2004 anlässlich des 200. Todestages herausgegebene Katalog zur Jubiläumsausstellung „Immanuel Kant. Erkenntnis, Freiheit, Frieden“,[23] enthält die bislang umfassendste Zusammenstellung von Kunstwerken und Artefakten unterschiedlichster Art mit Bezug zu Immanuel Kant.
Die an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz angesiedelte Kant–Forschungsstelle präsentiert eine „Kantiana-Sammlung“ als virtuelle Online-„Ikonographie“,[24] in der unter anderem Image-Files von Gemälden, Karikaturen, Zeichnungen, Medaillen und Büsten digital abgerufen werden können. Sie sind jeweils mit weiterführender erklärender Sekundärliteratur versehen, deren Dichte das hohe Interesse der älteren Forschung an den einzelnen Stücken verdeutlicht und ein gutes Bild des Forschungsstandes bietet.
Zu erwähnen ist auch die an der Universität Manchester im Rahmen des Projekts „Kant in the Classroom“[25] online erfasste und kommentierte „Kant Iconography“, die die vollständigste Dokumentation von Kant-Porträts enthalten dürfte. An den genannten Orten sind auch die Kunstwerke vom 18. bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts mit Bezug auf Kant weitgehend repräsentiert. Diese „älteren Kantiana“ sind also insgesamt gut dokumentiert.
Ganz anders sieht der Befund für die Kunst nach 1945 aus. Konkreten Bezugnahmen auf Kant in Werken der modernen Kunst, also in Kunstwerken, die nach 1945 bis zur Gegenwart entstanden sind, wurde bislang kaum Aufmerksamkeit gewidmet. Sie spielen auch in der erwähnten Literatur über die Rezeption und Wirkungen der Ästhetik Kants nur am Rande eine Rolle. In den Dokumentationen und Kantiana-Sammmlungen sind Werke der modernen Kunst – bis auf wenige Ausnahmen – nicht verzeichnet. Allein in dem o.g., anlässlich des 200. Kant-Todestags erschienenen Ausstellungskatalog sind immerhin einige wenige Werke von Heinz Sprenger (1947), Diether Ritzert (1967), Horst Janssen (1983), Robert Bud(z)inski, Ludmilla Tambowzewa (****), W. Trugor (1992) und Nelli Smirnjagina (1992)[26] abgebildet. Zu erwähnen sind die Begleithefte zu den erwähnten Ausstellungen „Kant gewidmet“ (1994) sowie „Kunst für Kaliningrad-Königsberg“ (2001),[27] in denen einschlägige Werke verzeichnet und abgebildet sind.
4. Bezugnahmen in Werken der modernen und zeitgenössischen Kunst auf Immanuel Kant
Im Rahmen des Projekts Immanuel Kant in Werken der modernen Kunst wird eine entsprechende Bild- und Textdatenbank als „Work in Progress“ erstellt. Nach dem gegenwärtigen Stand (April 2018) werden Werke mit Bezug zu Immanuel Kant u.a. folgender Künstler vorgestellt und interpretiert werden: Joseph Beuys, Bernhard J. Blume, Renee Jorgensen Bolinger, Walter Bortolossi, Andrea Büttner, Jacob Collins, Giles Deleuze, Shepard Fairey, Felix Guattari, Jiri Harcuba, Werner Horvath, Horst Janssen, Anselm Kiefer, Fidelia Lee, Jack Levine, Jan Kment, Knud Knudsen, René Magritte, Jonathan Meese, Ree Morton, Armin Müller-Stahl, Uwe Poth, Diether Ritzert, Zbigniew Rogalski, Günter Rückert, Ulrich Schaaf, Yinka Shonibare, I. Soyockina und V. Gracov, Nelli Smirnjagina, Heinz Sprenger, Sergej Tyukanov.
Das durch diese Namen vertretene künstlerische Spektrum ist in jeder Hinsicht heterogen. Stilistisch reicht es vom sozialkritischen Realismus der amerikanischen 1930er Jahre, über Surrealismus, Dadaismus oder Minimalismus bis hin zum klassischen Realismus der Gegenwart, über Grotesk-Malerei zur Pop-Art. Bei den Kunstwerken handelt es sich um konventionelle Gemälde (Öl, Acryl), Zeichnungen, Aquarelle, Drucke oder Fotografien über „Ready-Mades“, lebensgroße Figuren, Installationen bis hin zu interaktiven Kunst-„events“ und zur digitalen Kunst. Bislang wurden die in der folgenden Tabelle erfassten Kunstwerke ermittelt. Ihre Auswertung und Analyse soll im Rahmen der nächsten Projektschritte erfolgen. Nach Klärung der teils kompliziert gelagerten Urheberrechte und der Copyrights, ist eine Präsentation der Werke vorgesehen.
Übersicht über bereits ermittelte Werke
(Künstler, Werk, Jahr, Art, Ort)
HINWEIS:
Durch Anklicken der blau markierten Namen gelangen Sie auf die jeweilige Seite zu Künstlerin bzw. Künstler und Werk
- Beuys, Joseph: "Ich kenne kein Weekend" (1972), "Ready-Made-Objekt", Bundeskunsthalle Bonn
- Blume, Johannes Bernhard: "Kant zuliebe – Die reine Vernunft ist als reine Vernunft ungeniessbar" (1981), vier Fotografien und Textblatt, Städtische Sammlung Erlangen
- Bolinger, Renée: "Kant with a book. In Style of Picasso" (2013), Öl auf Leinwand
- Bortolossi, Walter: "Mark Zuckerberg meets Immanuel Kant" (2011), Öl auf Leinwand
- Büttner, Andrea: Illustrationen zur "Kritik der Urteilskraft" (2014), Fotografien (Offset-Collagen), Museum Ludwig, Köln, 05.09.2014-15.03. 2015
- Collins, Jacob: "Still Life with Kant and Descartes" (1988), Öl auf Leinwand, Adelson Galleries, New York
- Deleuze, Filles und Guattari, Felix: "Machinic Portrait of Kants Philosophy" (1992), Federzeichnung und Videoclip
- Fairey, Shepard: "Yes we Kant"; Variationen des "Hope-Posters" über Barack Obama (2008), Pop-Art-Druck
- Harris, Jim: "The perpetual Peace" (2019), "Naive" Kunst
- Harcuba, Jiri: "Immanuel Kant" (1987), Porträt als Glasrelief, Los Angeles County Museum of Art
- Harvey, Paul: "Immanuel Kant with Flowers and Painting" (2002), Acryl auf Leinwand, Privatbesitz
- Horvath, Werner: "Garten des Friedens" (Hannah Arendt; Mahatma Ghandi; Bertha von Suttner; Immanuel Kant; 2002), Öl auf Leinwand
- Janssen, Horst: "Immanuel Kant" (1983), Porträt-Zeichnung für Helmut Schmidt
- Katunarić KADELE, Leo: "Immanuel Kant on Facebook" (200?), Acryl auf Leinwand
- Kiefer, Anselm: "Der gestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir" (1997), Holzschnittcollage auf Leinwand mit Emulsion, Acryl und Schellack, Privatsammlung
- Kiefer, Anselm: "Wege der Weltweisheit: Die Hermannsschlacht" (1982-1993), Monumentale Holzschnitte mit Bearbeitungen, Sammlung Marx Berlin, Guggenheim Bilbao Museoa u.a.
- Knudsen, Knud: Kant-Denkmal in Rüsselsheim (1968), strahlenförmige Betonpfeiler, Rüsselsheim
- Levine, Jack: "The Feast of Pure Reason" (1937/1970), Öl auf Leinwand/Aquatinta, Kaltnadel, Museum of Modern Art, New York
- Magritte, René: "La Raison Pure" (1948), Gouache, Privatsammlung
- Millet, Laurent: "Les derniers Jours d’Emmanuel Kant" (2008-2009), Zyklus: 12 Fotos von Installationen
- Meese, Jonathan: "Immanuel Kant" (2007), einfarbig schwarz gedruckte Lithographie, Stedelijk Museum Amsterdam
- Morton, Ree: "Immanuel Kant" (1973), Bleistiftzeichnung auf Aquarell, Museum of Modern Art, New York
- Müller-Stahl, Arnim: "Immanuel Kant" (2014), Lithographie
- Müller-Stahl, Arnim: "Adorno, Wittgenstein, Kant, Blumenberg" (2015), Zeichnung
- Poth, Uwe: "Kant" (2000), Öl auf Leinwand
- Piper, Adrian: "The Probable Trust Registry: The Rules of the Game #1-3" (Jahr?) Installation und "Gruppenperformance", Museum Hamburger Bahnhof Berlin, 24.2.-3.9.2017
- Reeve, Heester: "Yes we Kant!" (2017), Installationen
- Rogalski, Zbigniew: "Kant, Schopenhauer, Nietzsche" (2003), Tafeln, Sammlung Marx Berlin
- Runov, Vladislav: "Kant’s Categorical Imperative", "Fantasy-Art"
- Schaaf, Ulrich: "Kant und die Metaphysik" (2017), digitale Kunst
- Schaaf, Ulrich: "Immanuel Kant – Was ist der Mensch?" (2014), digitale Kunst
- Shonibare, Yinka CBE: "Immanuel Kant" (Zyklus "Age of Enlightenment", 2008), lebensgroße Fiberglasfigur, Schreibtisch u.a., Milwaukee Art Museum
- Smirnjagina, Nelli: "In den Zeiten von Kant" (2004), Ölgemälde auf Leinwand, Privatbesitz, Kaliningrad
- Smirnjagina, Nelli: "Zerstörung betrübt die Vernunft"; "Zerstörung verdunkelt den Geist" (1992, 1993), Ölgemälde auf Leinwand, Privatbesitz, Kaliningrad
- Soyockina, I., Gracov, V.: "Kant liest vor russischen Offizieren" (Jahr?), Öl auf Leinwand, Kunstmuseum Kaliningrad
- Sprenger, Heinz: "Kant liest Moral" (1947), Öl auf Leinwand
- Texier, Richard: "La Raison Pure" (1999), Druckgrafik, Privatbesitz
- Tudor, Costin: "Critique of Pure Reason" (2015), Öl auf Leinwand
- Tyukanov, Sergej: "Project - Denkmal-Bibliothek - Emmanuel Kant in Königsberg" (1998), Radierung, Exlibris
(Publiziert ab September 2018)
Zitierweise:
https://www.bkge.de/Projekte/Kant/matthias-weber/Matthias_Weber_Immanuel_Kant_in_Werken_der_modernen_Kunst.php