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Tanz- und Trachtengruppe "Kathrinchen" Wülfrath


Von 1977 bis 1993 haben Renate und Manfred Müller die Tanz- und Trachtengruppe "Kathrinchen" in Wülfrath bei Düsseldorf geleitet. Gleich zu Beginn des Interviews wird deutlich, dass beide eine unterschiedliche emotionale Bindung an das Thema "Weizackertracht" haben. Nach den Anfängen der Tanzgruppe befragt, nennt Renate Müller das 150-jährige Jubiläum Wülfraths im Jahr 1977, Manfred Müller hingegen meint: "Der Anfang ist eigentlich die Vertreibung." Der unterschiedliche Standpunkt mag an der Herkunft der beiden liegen: Renate Müller wurde in Potzehne (Sachsen-Anhalt) geboren, Manfred Müller in Stettin. Eher durch kleine Randbemerkungen wird während des Interviews deutlich, dass für Herrn Müller das Schicksal, ein Vertriebener zu sein, eine große Bedeutung hat.

Bereits 1953/54 trat er in Bünde/Westfalen einer schlesischen Gruppe bei, die sich einmal wöchentlich traf, um zu singen, Volkstänze aufzuführen und zu wandern, und die dem "Bund der Ostvertriebenen" angehörte. Schon damals hätten die Mitglieder einen gewissen Ehrgeiz entwickelt, was die Auftritte betraf, und z.B. beschlossen statt Turnschuhen schwarze Schuhe zu tragen.

1958, ein Jahr nachdem Manfred Müller (*14.8.1938) nach Wülfrath gezogen war, rief er dort eine Volkstanzgruppe ins Leben, die der Deutschen Jugend des Ostens angehörte. Aus Zeitgründen musste er die Gruppe 1963 nach der Heirat mit Renate Müller (*22.1.1944) aufgeben. Sobald ihre Kinder größer waren, gründeten sie erneut eine Gruppe. Mitglieder waren überwiegend Ostvertriebene, doch auch Westdeutsche nahmen daran teil. Nach deren Motivation befragt, antwortet Renate Müller: "Einfach nur tanzen!" Es sei ihnen um das Zusammensein gegangen; ein anderer Anreiz sei es gewesen, in die Zeitung zu kommen. Diese DJO-Gruppe existierte von 1969 bis 1972.

Dann ruhten die Gruppenaktivitäten wiederum für einige Jahre, da die Müllers mit dem Bau ihres Hauses beschäftigt waren. 1977 nahmen sie dann als Angehörige des Bundes der Vertriebenen an einem Umzug anlässlich des besagten Stadtjubiläums Wülfraths teil, an dem eine Vielzahl von Vereinen sich beteiligte, und zeigten ostdeutsche Trachten. Bei der Gelegenheit trafen ehemalige Mitglieder der Tanzgruppe aufeinander, die sich begeistert über das gemeinsame Tanzen austauschten und daraufhin beschlossen, sich wieder in einer Gruppe zusammenzufinden. Nach einem ostpreußischen Gebäck nannten sie sich "Kathrinchen". Wieder schlossen sie sich der DJO an. 70 Mitglieder - mit Kindern und Jugendlichen - traten der Gruppe bei.

Alle waren sich einig, dass sie eine neue Kleidung zum Auftreten haben wollten, die "Hand und Fuß" haben sollte. Früher traten sie in Tanzkleidern und Dirndln auf, jetzt sollten es Trachten sein und die "sollten so echt sein wie möglich". Neben dem gemeinsamen Tanzen ging es ihnen vor allem auch um die "Pflege des Brauchtums".

Von den Treffen der Landsmannschaften waren Herrn und Frau Müller ostdeutsche Trachten vertraut. Beide berichten von den großen Unterschieden zwischen Trachtenträgern und -machern. Immer wieder seien Konflikte darum ausgetragen worden, "was stimmt." Herr und Frau Müller versuchten, sich eine eigene Meinung zu bilden und "eine Einheit reinzukriegen." Sie entschieden sich, sich konsequent nach den Vorlagen von Ingeborg Bansleben und Helga Palmer zu richten. Da diese sich auf Unterlagen aus Innsbruck stützen konnte, dachten sie, dass das "ziemlich wahrscheinlich stimmen wird".

Renate Müller besuchte einen Nähkurs bei Ingeborg Bansleben und leitete dann in Wülfrath einen wöchentlichen Nähkreis, in dem sie und die Teilnehmerinnen die Trachten für ihre Auftritte anfertigten. Neben der Weizackertracht, der Jamunder und der Mönchguter Tracht schneiderten sie ostpreußische und schlesische Trachten und Trachten aus dem Sudetenland, Siebenbürgen und dem Niederbergischen Land. Bei ihren Auftritten trugen sie gemischte Trachten. Da Manfred Müller aus Stettin kommt, haben er und Renate Müller und auch ihr Sohn Ingo die Weizackertracht getragen und Renate Müller sagt, dass sie diese heute noch schön findet.

Die Schürze ihrer Weizackertracht fertigte Renate Müller nach dem Vorbild einer Schürze an, die sich heute im Germanischen Nationalmuseum befindet und die ebenfalls grün und violett gemustert ist. Bei der Anfertigung des Schultertuches richtete sie sich nach den Zeichnungen in der Mappe "Ostdeutsche Trachten". In die Stickereien hat sie schätzungsweise 300 Arbeitsstunden investiert. Zu den Schuten, die sie und drei Mädchen, die ebenfalls in Weizackertracht auftraten, trugen, bemerkt sie, dass sie keine Hauben angefertigt hätte, da Ingeborg Bansleben diese als Kirchenhauben bezeichnet hätte. Doch würde sie sich heute trotzdem gerne noch eine solche Haube anfertigen.

Die Blusen hätte sie aus Leinen geschneidert, da man diese auch zwei Mal hintereinander anziehen konnte, ohne dass sie unangenehm rochen; der Nachteil sei gewesen, dass sie sehr schnell zerknitterten. Sie erklärt, ein wichtiges Kriterium bei der Auswahl der Stoffe sei gewesen, dass sie sich für das Tanzen besonders gut eigneten.

Seinen Hut, so berichtet Manfred Müller, hätten sie in einem Hutgeschäft extra anfertigen lassen. Seine Tochter, die in Salzburg eine Ausbildung zur Trachtenschneiderin gemacht hat, habe das Band für den Hut gefältelt und angebracht. Eigentlich müssten die Falten nach oben und unten aufrecht stehen. Zu seiner Jacke und Weste erklärt er, an der Anzahl der Knöpfe hätte man im Weizacker den Reichtum der Bauern ablesen können. Renate Müller ergänzt, dass der Reichtum bei den Frauen durch die Anzahl der Röcke demonstriert werden sollte. Laut Ingeborg Bansleben sei die Weizackertracht am Ende so überladen gewesen, dass sie kurz vorm Umkippen gestanden hätte.

1993 lösten die Müllers die Gruppe auf, da Manfred Müller seinen alten Hof in der ehemaligen DDR wieder bekam und dadurch zeitlich wieder stärker gebunden war. Noch dazu war ein Problem, dass die Jugendlichen mit der Zeit das Interesse verloren und die Abiturienten zum Studium in eine andere Stadt gingen.

Während des Interviews fragt Manfred Müller, wie man denn in Polen inzwischen zur Weizackertracht stünde und ob man sich dort immer noch dagegen wehren würde, dass sie deutschen Ursprungs sei. Bei der Verabschiedung bekräftigt Renate Müller ihr Interesse daran zu erfahren, wie andere Tanzgruppenleiter und -leiterinnen das Problem, die "originale" Tracht zu bestimmen, gelöst hätten.


Tanzgruppe der Pommerschen Landsmannschaft, Berlin


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URL zur Zitation dieses Beitrages: https://www.bkge.de/weizackertracht/9242.html

Stand: 05.07.2005
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