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"Bienenkorbähnlich müssen die Röcke abstehen..."

Trachten aus dem Weizacker in den Sammlungen des Germanischen Nationalmuseums

Claudia Selheim

Im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts galt ein verstärktes Interesse am 1852 gegründeten Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg dem Sammeln ländlicher Altertümer, wozu die immer mehr in Abgang kommenden Regionalkleidungen zählten. Bereits in dem 1853 von dem Museumsgründer Freiherr von und zu Aufseß (1801-1872) erstellten "System der deutschen Geschichts- und Alterthumskunde ... zum Zwecke der Anordnung der Sammlungen des germanischen Museums" bildeten unter den so genannten "Zuständen" Kleidungen der verschiedenen Stände nebst Zubehör einen Sammlungsaspekt. (1) Die Einteilung in Frauen-, Männer-, Kinder- und Jugendtracht war hier nicht im Sinne einer spezifisch ländlichen Kleidung gedacht, sondern fasste den Begriff noch weiter. Als Zeitgrenze der zusammenzutragenden Objekte war die Mitte des 17. Jahrhunderts angesetzt worden. 1870 beschäftigte sich der seit 1866 amtierende Erste Direktor des Nürnberger Instituts August von Essenwein (1831-1892) mit dem Stand der Sammlungen und den daraus erwachsenden Aufgaben. Über Tracht und Schmuck hielt er fest: "Wir befinden uns hier auf einem Gebiete, auf dem verhältnismäßig nur sehr wenige Originaldenkmäler erhalten sind. Alte Kleider waren nie Gegenstand besonderer Sorgfalt, und unsere Vorfahren haben sie ebenso wie wir den allgemeinen Wandelungsprozeß alles Irdischen durchmachen lassen; nur der Zufall hat uns da und dort etwas gerettet. Unsere Sammlung hat also nicht gerade Aussicht, einen großen äußern Umfang zu erlangen; ...". (2) Dieses Defizit im Bereich der Kleidung sollte vor allem durch Gemälde "auch ohne Kunstwerth" sowie Graphiken aus der Zeit zwischen 1500 und 1800 ausgeglichen werden. Die Zahl der Originalgegenstände belief sich nach Angaben Essenweins auf 282 Stück. 1876 fanden Kostüme und Zubehör Eingang in die Ausstellung und 1882 erwähnte der "Wegweiser für die Besuchenden" erstmals "einige Schränke mit Hauben und sonstigen Kostümstücken, wie sie als alte Tradition sich beim Landvolke in verschiedenen Gegenden erhalten haben und eben in unserer Zeit zu Grunde gehen". (3)


















Seit etwa 1890 war das kulturgeschichtlich ausgerichtete Nürnberger Museum darauf bedacht, die ländlichen Sachzeugnisse einer sich mit Schnelligkeit wandelnden Welt zu bewahren, wie dies an anderen Orten bereits der Fall war. (4) So hatte 1889 in Berlin das "Museum für deutsche Volkstrachten und Erzeugnisse des Hausgewerbes" eröffnet und am 1855 gegründeten Bayerischen Nationalmuseum intensivierte Wilhelm Heinrich Riehl (1823-1897) zu Beginn der 1890er Jahre den Ausbau der Trachtensammlung. (5)

Die Sammlung Kling

August von Essenwein bewegte den Frankfurter Zoologen und vermögenden Privatier Dr. Oskar Kling (1851-1926) eine Sammlung ländlicher Trachten anzulegen und sie dem Museum zu überlassen. (6) Im Übrigen sicherte man dem Sammler auf dessen Wunsch hin in einem 1898 unterzeichneten Vertrag zu, Trachten aus dem Museumsbesitz, die freilich schon zuweilen auf Anraten Klings erworben worden waren, in die noch in Planung befindliche Ausstellung zu integrieren. Gemäß der Museumsstatuten umfasste sie Regionalkleidungen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum. Kling gehörte zu den interessierten Laien, die maßgeblichen Anteil an der Objektauswahl aus dem so genannten Bereich der "Volkskultur" hatten und damit den Kanon festlegten, der spätere Museumsgenerationen beschäftigte. Aus der ehemaligen preußischen Provinz Pommern befanden sich in dem schließlich 1905 eröffneten Trachtensaal des Germanischen Nationalmuseums Trachten aus Jamund, Mönchgut auf Rügen und aus dem Weizacker.

Geprägt wurden Sammler und Museen bei der Auswahl der erstrebenswerten ländlichen Kleidungen neben den seit Ende des 18. Jahrhunderts vermehrt als Andenken aufkommenden, die Realität im Detail nicht wiedergebenden Kupferstichen mit Darstellungen des Landvolks vor allem durch die eine Überschau bietenden Werke von Eduard Duller und Albert Kretschmer. Letzterer hatte in seinen zwischen 1864 und 1870 erstmals erschienenen "Deutschen Volkstrachten" auf zwei Bildtafeln und einem Begleittext Trachten aus dem fruchtbaren, südwestlich von Stettin gelegenen Weizacker vorgestellt. (7) In den "Blättern für Kostümkunde" widmete der Maler Constantin von Wietersheim (1829-1878) einige Jahre später einem Bauern und einem Bauernmädchen aus dem Weizacker jeweils ein Bild. (8) Gerade mit dem letzten Blatt setzte sich der Frankfurter Sammler auseinander. Vereint als Paar fanden sich die Dargestellten 1905 in der Kostümgeschichte von Alfred Rosenberg als "Bildzitate" wieder. (9)

Bild- und Textquellen

Die älteste derzeit bekannte Bildquelle, ein 1834 entstandenes Gemälde des Stettiner Malers und Zeichenlehrers Ludwig August Most (1807-1883), zeigt eine Frau in Weizackertracht, wie sie häufig in Museen aufbewahrt wird. Das Bild dürfte aber im Verlauf des 19. Jahrhunderts kaum überregionale Bekanntheit erlangt haben. Für die Zeit um 1850 lassen sich keine Hinweise ausmachen, dass der ländlichen Kleidung des Weizackers in Wort oder Bild besondere Aufmerksamkeit zuteil geworden wäre. 1869 griff die "Illustrirte Zeitung" das Thema auf und in der zweiten Hälfte der 1880er Jahre folgte eine Reihe reich illustrierter Beiträge in anderen Familienzeitschriften. (10) So veröffentlichte die "Illustrirte Welt" Holzstiche nach Skizzen von Franz Iwan. In den Begleittexten beurteilte der Künstler die Frauentracht als "originell", "eigenartig" und "unpraktisch", ihre Trägerinnen verglich er mit "wandelnden Kleiderständern". Wenngleich die Beurteilung des außenstehenden Künstlers eine durchaus kritische Haltung gegenüber der Frauenkleidung des Weizackers erahnen lässt, bewog ihre Eigenartigkeit und Farbigkeit den Maler, sie im Bild festzuhalten und die Marktchancen bei einem meist in Städten lebenden Bürgertum auszunutzen.

Lange Zeit vor dem Erscheinen dieser Bilder war der Blick einiger Mitglieder des Hauses Hohenzollern auf die Regionalkleidung des Weizackers gelenkt worden. 1826 gaben die Pommerschen Stände zu Ehren Friedrich Wilhelm III. in Klein Küssow am Madüsee im Weizacker ein Fest, an dem "junge Mädchen in einheimischer Tracht" erschienen. (11) Wie diese aussah, ist nicht überliefert, so dass dieser singuläre Beleg vor den Gemälden von Most zweifelhaft bleiben muss. 1867 wurden drei Kinder des Kronprinzen Friedrich Wilhelm, dem späteren Kaiser Friedrich III., in London in Weizackertrachten, die eigens für sie in Pyritz bei einem Schneider angefertigt worden waren, fotografiert. (12) Als der Kronprinz 1887 ein in Pyritz stationiertes Bataillon besuchte, war dies Grund für den damaligen Landrat, eine Gruppe von Frauen und Mädchen auf dem Marktplatz in Weizackertracht zu präsentieren. Diese bewusste Indienstnahme der damals nur noch selten getragenen Kleidung zu offiziellen Anlässen förderte wie in anderen Landschaften ihre Wahrnehmung als Tracht.

Die Weizackertracht hatte also schon Beachtung gefunden, bevor zwei Wachsfiguren 1893 im "Deutschen Dorf" auf der Weltausstellung in Chicago ausgestellt wurden. (13) Die so genannte Chicago-Sammlung hatte der aus Züllchow bei Stettin stammende Volkskundler Ulrich Jahn (1861-1900) zusammengestellt, der seit 1888 dem "Comité zur Gründung eines Museums der Trachten und Geräte" angehörte und sich seit 1890/91 aktiv an den Geschicken des Vereins für Volkskunde in Berlin beteiligte. (14) Er war neben Rudolf Virchow (1821-1902) Mitbegründer des 1889 eröffneten "Museums für deutsche Volkstrachten und Erzeugnisse des Hausgewerbes" in Berlin. Dem Gründungskomitee gehörte neben anderen auch der Stettiner Gymnasialdirektor und Vorsitzende der Gesellschaft für pommersche Geschichte und Altertumskunde Hugo Lemcke (1835-1925) an. (15) In den Museumsräumen waren seit seiner Eröffnung Trachten aus dem Weizacker und seit 1895 endgültig die Trachten aus der Chicago-Sammlung ausgestellt. (16) Der Berliner Bankier und Vorsitzende des Museums Alexander Meyer-Cohn (1851-1904) hatte dem Haus unter anderem einen Abendmahlsanzug, Mädchen-, Frauen- und Kinderanzüge sowie einen gewöhnlichen und einen Kirchenanzug eines Mannes aus dem Pyritzer Weizacker geschenkt (17), die möglicherweise mit der Hilfe Jahns erworben worden waren (18). Die der Weizackertracht durch verschiedene Schrift- und Bildmedien, aber auch durch die öffentliche Präsentation entgegengebrachte Wertschätzung mag an manchen Orten Anregung gewesen sein, sie in die Museumssammlungen aufzunehmen.

Interesse konnte auch in Pommern selbst beobachtet werden. In den 1889 von der 1824 ins Leben gerufenen "Gesellschaft für Pommersche Geschichte und Altertumskunde" herausgegebenen "Monatsblättern" war zu lesen, dass der Pyritzer Gymnasiallehrer Professor Dr. Blasendorff (1841-1901) für das Stettiner Museum "als Anfang einer Sammlung der pommerschen Volkstrachten" viele Kleidungsstücke aus dem Weizacker zusammengetragen habe, die ihm wohl vielfach zugespielt worden waren. (19) Sie fanden 1889 in einem Saal des Museums ihren Platz. Ein Jahr später lobten die "Baltische(n) Studien", gleichfalls ein Publikationsorgan der genannten Gesellschaft, wiederum Blasendorff, "der mit unermüdlichem Eifer und großer Umsicht es verstanden hat, auch dort, wo die Berliner Sammlung, die mit großen Geldmitteln auftreten konnte, schon das Vorgehen für uns erschwert hatte und kaum noch etwas übrig gelassen zu haben schien, mit größtem Erfolg zu sammeln". (20) Der gesamte Bestand an Textilien und Zubehör aus dem Weizacker scheint im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts in die Sammlungen der Gesellschaft durch den Pyritzer Lehrer gelangt zu sein, "selbst auf die Gefahr hin, vorläufig weder Figuren zu ihrer Bekleidung noch Glaskästen zu ihrer Aufstellung beschaffen zu können". (21) Die Ausstellung volkskundlicher Objekte erfolgte damals im "Bogislaw-Remter" des Stettiner Schlosses in spärlichem Umfang. (22) Die Sammlung, die Anfang des 20. Jahrhunderts 385 Nummern "pommersche Volkstrachten" zählte (23), sank dort immer mehr zum Magazin herab. Eine planvolle Präsentation erfolgte 1928 mit der Eröffnung des Provinzialmuseums pommerscher Altertümer. Im Hinblick auf die Trachten nahm man nun Abstand von naturalistischen Figurinen "zu Gunsten der Lehrhaftigkeit und wohl auch des ästhetischen Eindrucks". (24)

Otto Vogel als Aufkäufer

Als weiterer Zuträger und Pfleger der Stettiner Sammlungen ist Ende des 19. Jahrhunderts der Stargarder Kaufmann und ehrenamtliche Pfleger der Gesellschaft Otto Vogel zu benennen, der, glaubt man den "Monatsblättern", vorwiegend Objekte aus dem Bereich der Vor- und Frühgeschichte beisteuerte. Er selbst bezeichnete sich in einem Brief an das Germanische Nationalmuseum auch als Mittler dreier Kostüme aus dem Weizacker. (25) Der Geschäftsmann war zwischen 1882 und 1895 - nun als Rentner - Pflegschaftsmitglied des Nürnberger Museums. (26) Bei einem Besuch des Hauses im Frühjahr 1894, den er gelegentlich einer Reise nach Venedig machte, führte ihn einer der beiden Direktoren durch die Sammlungen. Sowohl der persönliche Kontakt als auch die Funktion und die Herkunft Vogels schienen den Nürnberger Museumsbeamten geeignet, ihn Trachten besorgen zu lassen. Diese Bezugsquelle hatte zuvor bereits der Inhaber des Berliner Panoptikums und verdiente Förderer des "Museums für deutsche Volkstrachten und Erzeugnisse des Hausgewerbes" Louis Castan genutzt. Die in seinem Geschäft hergestellten naturalistischen, auf der Weltausstellung in Chicago gezeigten Wachsfiguren waren mit Weizackertrachten aus der Hand Vogels ausgestattet worden. (27)

Als Vogel im Mai 1894 wieder in Stargard weilte, schrieb er einen Brief nach Nürnberg, in dem es um die "Beschaffung von Waitzackerschen Trachten" ging. Der Kaufmann, der die Seltenheit der Kleidungsstücke wiederholt in der erhaltenen Korrespondenz mit dem Nürnberger Museum betonte, betrachtete es beinahe als Glücksfall, "daß in dem Dorfe Werben infolge eines Todesfalles voraussichtlich sehr gute Waitzackerische Kostüme einer Frau zu haben sein werden. Falls Sie also hierauf reflektieren sollten, so müssen Sie mir umgehend Antwort geben, da diese Sachen nur unter der Hand zu haben sind. Nur die älteren Leute benutzen noch diese Tracht, die jüngere Generation trägt sich schon vollständig modern. Die Farbenzusammenstellung in dieser Tracht ist auch noch eine verschiedene, hauptsächlich tritt rot hervor; die seidenen Tücher sind teils mit Flittern teils ohne Flittern versehen. Häufig sind diese seidenen Tücher auf der Rückseite schwarz, um dann zur Trauer benutzt zu werden, während sonst rot hervortritt, sind die Röcke der Frauen mehr in blauer Farbe gehalten. Sollte es mir gelingen, aus dieser Familie in Werben Ihnen Kostüme zu beschaffen so könnte sich Ihr Museum gratulieren". (28)

Bereits am 16. Mai hielt sich der Kaufmann in Werben auf, wo er "einen completten hocheleganten charakteristischen Anzug" zur Ansicht besorgte. Nach Nürnberg sandte er laut einer Objektliste "2 Strumpfbänder, 1 Unterrock, 1 Oberrock, 1 Jacke, Korallenkette, 1/2 Korallenkette, 1 Paar Handschuhe, 1 Unterbindetuch Mull, 1 ausgesticktes Tuch, 1 Paar Strümpfe, 1 Schnürleib ´Josip´ genannt, 1 Schürze, 1 Schleife, Handkrause, 1 Leibband, 1 Binde, 1 Hemd, 1 Paar Schuhe, 1 rothe Tasche, 1 Kragen, 1 Strohhut, 1 Mütze, 1 Unterrock". (29) Otto Vogel machte zum Teil Angaben, welche Funktion die einzelnen Stücke hatten.

Das miederähnliche Kleidungsstück, "Josip" genannt, wurde danach "so getragen daß es äußerlich nicht sichtbar ist. An der unteren Seite dieses Josip findet sich ein dicker Wulst vor. Dieser Wulst hat den Zweck das möglichst weite Abstehen der Röcke vom Körper zu veranlassen. II. Das Hemde wird so getragen, daß es etwa 1 bis 2 Zoll unter den Röcken heraussieht, so also, daß wenn die betreffende Frau sich bückt, es deutlich sichtbar erscheint". (30) Tatsächlich schaute bei der Nürnberger Museumsfigurine aber nicht das Hemd, sondern ein weißer Baumwollstreifen unter den Röcken und der Schürze hervor. Walter Borchers beanstandete 1932 an der Nürnberger Weizacker-Figurine schließlich dieses "Hemd", das man seinen Kenntnissen nach nur "hinten unter den Röcken" sah. (31) Eine andere Autorin beschrieb für die Dörfer Lettnin, Isinger und Brietzig ein eine Handbreit unter den Röcken hervorschauendes Hemd. (32)

Der Kaufmann schickte nur zwei Unterröcke nach Nürnberg, aber er betonte, dass die Frauen selbst in den Sommermonaten bis zu zwölf Unterröcke trugen, wobei der unterste am kürzesten war, um eine egale Länge aller Röcke zu erzielen. Weiter hieß es: "Bei Aufstellung der entsprechenden Puppe wollen Sie den Hauptschwerpunkt darauf legen, doch die Röcke beinahe bis zur Karikatur vom Körper entfernt sind, also beinahe halbkreisförmig". Um seine Präsentationsvorstellungen zu verdeutlichten, setzte Vogel dem Brief eine Zeichnung hinzu, zu der er bemerkte: "Bienenkorbähnlich müssen die Röcke abstehen vom Körper". Im Übrigen äußerte er gegenüber den Museumsbeamten seine Freude, in einigen Jahren "die verstorbene Frau Mayer aus Werben als Wachspuppe in Ihrem Museum begrüßen" zu können. (33) Wie damals üblich, hinterfragten weder die Nürnberger Museumsbeamten noch Oskar Kling die soziale Stellung der Verstorbenen, um die Kleidung weiter einordnen zu können.

Die Sendung von 1 1/2 Korallenketten nach Nürnberg, womit Vogel nach üblichem Sprachgebrauch Krallen, also Perlen, aus Bernstein meinte, hatte ihre Ursache darin, dass eine Hälfte des Schmuckes der Leiche mit ins Grab gegeben worden war. Der Kaufmann fügte hinzu, dass die Frauen selbst im Sommer mit einem möglichst großen Muff zur Kirche gehen würden und bot sich an, gegebenenfalls für das Germanische Nationalmuseum einen solchen nebst Mulltuch, welches durch den Muff gezogen wurde, zu besorgen. (34) Er wies wiederholt auf die Unterschiede der Frauentrachten in den einzelnen Weizackerdörfern hin, die aber seines Erachtens für das Museum wenig von Interesse waren, weil es dort galt, den regionalen Typus darzustellen. Der Zuträger sandte dem Museum außerdem acht Fotografien, um die Tragweise der Dinge zu visualisieren. Sie wurden zunächst im Kupferstichkabinett aufbewahrt und später in die Sammlungen zur Volkskunde abgegeben. (35) Dort haben sich drei der Aufnahmen aus dem Atelier "H. Proeger, Pyritz" erhalten (Abb.). (36)















Die Kleidungsstücke, die Vogel schließlich für 170,- Mark nach Nürnberg verkaufte, wurden nach seiner Auskunft überhaupt nicht mehr angefertigt. Sehen konnte man den "ganzen Staat an Kleidern" danach aber noch auf den manchmal bis zu drei Tagen dauernden Hochzeiten. Im Laufe eines Tages wurden die Kleider mehrmals gewechselt und "je öfter ein derartiger Kleiderwechsel stattfindet, um so reicher glaubt die betreffende Frau in den Augen der anderen Frauen dazustehen". (37) Wie in anderen Landstrichen konnte auch im Weizacker ein langes Festhalten an der regionalgebundenen Kleidung im Kontext des kirchlichen Festwesens beobachtet werden.

Mit der Betonung der zunehmenden Seltenheit der Objekte rechtfertigte Otto Vogel ihren hohen Preis. Außerdem prognostizierte er, "daß nach Verlauf von 50 oder 100 Jahren diese Tracht nur noch in Museen anzutreffen sein wird". (38) Gleichzeitig bot er an, "einen charakteristischen Anzug eines Mannes aus dem Weizacker zu beschaffen", wiewohl er das Vorhaben als nicht sehr aussichtsreich einstufte. Ende Juni 1894 war es ihm dann schon "geglückt, ein männliches Costüm zu beschaffen; dasselbe besteht aus 1) Rock; 2) Weste; 3) Hut. Für diese 3 Gegenstände werden allerdings 75 Mark gefordert. Ein hoher Preis. Ich bitte aber berücksichtigen zu wollen, daß diese Sachen überhaupt kaum noch zu haben sind.
Der Hut und die Weste stammen aus dem selben Dorfe Werben, aus dem auch das weibliche Costüm stammt. Ein Rock war in dem ganzen Dorfe Werben überhaupt nicht zu haben. In dem Dorfe Groß-Schönfeld ist nur noch ein Rock, dieser ist indeß erst nach dem Tode des Besitzers vielleicht zu haben. Aus einem anderen Dorfe im Waitzacker hat dieser Rock erst beschafft werden müssen". (39)

Die Ausführungen belegen deutlich, mit welchen Schwierigkeiten Museen, Sammler und Mittelsmänner beim Ankauf und Auftreiben alter, einst auf dem Land getragener Kleidung zu rechnen hatten. Der von Vogel aufgespürte, zunächst unvollständige Anzug war also weder von einem Träger noch aus einem Ort. Der Zuträger empfahl für die "Aufstellung der Wachspuppe lange Schnürstiefel, schwarze Hose, welche zum Rock paßt, Hose in den Schnürstiefeln, schwarze Crawatte als Schleife gebunden, rechts und links mit Zipfel versehen". Die Dinge besorgte Vogel schließlich selbst, wie die Erwerbsakten erkennen lassen. (40) Es ging bei der Präsentation um die Jahrhundertwende also nicht um die historische Authentizität der ausgestellten Museumstracht, die aus einzelnen historischen Stücken zusammengestellt war, sondern um die Vermittlung eines an ästhetischen Vorstellungen ausgerichteten charakteristischen Ideals. Das durch Bilder geprägte, vermeintlich Typische stand im Zentrum volkskundlich-musealen Interesses. Wie gering der historische Quellenwert des einzelnen Kleidungsstücks eingestuft wurde, geht aus Vogels Vorschlag hervor, falls bei der Bekleidung der von ihm ausschließlich ins Auge gefassten Wachspuppe "die Weste verhältnismäßig zu eng sein sollte, so müßte hinten ein Stück eingesetzt werden". Die Überlegungen veranschaulichen zudem deutlich, welche enge Bindung Wachsfiguren und Trachten seit der Berliner Präsentation eingegangen waren.

Die Männer- und Frauenkleider aus dem Weizacker wurden im Germanischen Nationalmuseum aber nicht auf naturalistischen Wachsfiguren wie in Berlin ausgestellt, sondern auf herkömmlichen Schaufensterpuppen aus Peddigrohr ohne Kopf. Seit 1895, also zehn Jahre vor der Eröffnung des Trachtensaals mit seinen rund 370 Figurinen, Büsten, Köpfen und Gestellen, waren die Männer- und Frauentracht aus dem Weizacker dem Publikum im so genannten Saal der Reichsstädte zugänglich. (41) Sie bildeten neben einigen lebensgroßen naturalistischen Südtiroler Holzpuppen den Grundstock der museumseigenen Trachtensammlung, die zuweilen in Absprache mit dem Frankfurter Sammler Oskar Kling ausgebaut wurde.

Klings eigene Aktivitäten zur Ergänzung seiner Sammlung um Stücke aus dem Weizacker scheinen sich auf die Kleidung für ein kleines Mädchen beschränkt zu haben. Die hohen Inventarnummern lassen auf einen Erwerb um oder kurz nach 1900 schließen. Der Anzug war für ein 8-10jähriges Mädchen bestimmt und wurde zur Präsentation auf eine "Unterlage" montiert. (42) Er bestand aus Seidenhaube, Jacke, Kragen, zwei Schultertüchern, Schleife, Rock, Schürze, zwei Unterröcken, Strümpfen und Strumpfbändern. (43) Wahrscheinlich kannte Kling die Fotografien mit Kindern in Tracht, die der Stargarder Kaufmann an das Germanische Nationalmuseum gesandt hatte. Vogel vermutete in einem Brief an das Museum, dass diese Costüme wohl nur zum Scherz angefertigt" worden waren. (44) Er fuhr fort: "Als vor einigen Jahren in Pyritz ein großartiges Kriegerfest statt fand, erregte es viel Aufsehen und Heiterkeit, als bei Tisch 2 Kinder des Professor Blasendorf [sic!] in waitzackerischer Tracht erschienen und Tischlieder verteilten". (45) Der Historiker und Germanist Karl Blasendorff war Gymnasialprofessor in Stettin und Beirat der Gesellschaft für Pommersche Geschichte und Altertumskunde. (46) Ob die bei Kretschmer und in Familienzeitschriften beschriebenen und spätestens seit 1869 auf Holzschnitten zu sehenden Kinder in Tracht ein gestalterisches Element der Maler darstellten oder historische Realität wiedergeben (47), muss wohl offen bleiben. Eine Fotografie mit zwei kleinen in Weizackertrachten gekleideten Mädchen aus Brietzig entstand 1894. Die Aufnahme fand 1904 Eingang in die Publikation "Bilder aus dem pommerschen Weizacker", die anlässlich der 35. Allgemeinen Versammlung der Deutschen Anthropologischen Gesellschaft zu Greifswald erschien. (48) Dargebracht worden waren diese Bilder wiederum von der Gesellschaft für Pommersche Geschichte und Altertumskunde zu Stettin.

Sammlungen und Erhebungen von Robert Holsten

Erneut wurden die Brietziger Mädchen wie auch die übrigen Bilder in der 1914 von Robert Holsten (1862-1954) verfassten Volkskunde des Weizackers abgebildet. (49) Der Pyritzer Gymnasiallehrer behandelte in seinem ausführlichen Kapitel über die Trachten die Regionalkleidung für kleine Mädchen nur knapp. Danach hatten sie ab dem zehnten Lebensjahr die Röcke der erwachsenen Frauen in entsprechender Größe getragen. (50) Ihr Fehlen 1910 betrachtete er als einen Beleg für das Aussterben der Tracht. (51) Im 1931 erschienenen Heimatkalender für den Kreis Pyritz waren die Mädchen abermals zu sehen. Im Text wies der Verfasser wie bereits 1894 der Stargarder Kaufmann Vogel darauf hin, dass die beiden kleinen Trachtenträgerinnen kostümiert gewesen seien. (52) Die seit Juni 1905 im Germanischen Nationalmuseum gezeigte Kindertracht dürfte im Kontext solcher folkloristischer, an Wunschbildern orientierter Kostümierungen im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts hergestellt worden sein. Entsprechendes kann für eine heute nur mehr fragmentarisch überlieferte Mädchentracht aus Brietzig aus den Beständen des Museums Europäischer Kulturen angenommen werden. (53)

Die Männer- und Frauentracht aus den Sammlungen des Germanischen Nationalmuseums wurde 1932 auf einer Farbtafel in dem Band "Deutsche Volkstrachten" von dem damaligen Konservator Rudolf Helm mit gemalten, naturalistischen Köpfen wiedergegeben. (54) Beide Figuren hatten im Original jedoch anstelle des Gesichts einen Balusterstab aus Holz, auf dem die Kopfbedeckung befestigt war. Das populär ausgerichtete Werk sollte wohl nicht durch "kopflose" Figurinen verunstaltet werden, und man entschloss sich in den Fällen, wo Köpfe fehlten, solche hinein zu retuschieren. Walter Borchers, der die Figurinen offenbar damals nicht aus eigener Anschauung kannte, schrieb: "Die beigegebenen Bildtafeln sind weniger ein Vergnügen, man glaubt Figuren eines Panoptikums unter der Devise Tracht ausgestattet zu sehen". (55) Die wiedergegebene Tafel diente wie andere auch als Vorlage für das Bändchen von Oswald A. Erich "Deutsche Volkstrachten" und den Handbuchartikel "Die Volkstracht" von Viktor von Geramb. (56) Die Abbildungen aus Helm wurden hier allerdings künstlerisch überarbeitet und lebendiger gestaltet. Gesicht und Figur des Mannes nahmen an Umfang zu, und eine qualmende Zigarre wurde als männlich-bäuerliches Attribut hinzugefügt.

Die Museen in Berlin und Nürnberg präsentierten bereits über ein Jahrzehnt Trachten aus dem Weizacker, als eine intensive wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Thema einsetzte. (57) So konstatierte Robert Holsten 1911: "Für die Wissenschaft ist die Tracht bisher nur durch Abbildungen festgelegt...". (58) Er meinte damit die 1904 publizierten "Bilder aus dem pommerschen Weizacker". (59) Neben Robert Holsten, der 1914 die einzelnen Kleidungsstücke des Weizackers und ihre Funktionen ausführlich beschrieb (60), behandelte vor allem der Volkskundler Walter Borchers, der 1932 seine Dissertation "Volkskunst im Weizacker" vorlegte, ausführlich Textilien. (61) In der Regel glichen sich die Beschreibungen der Weizackertrachten seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Bei der Männerkleidung wurde aufgrund des blauen, rot abgefütterten Rocks oft der Einfluss der Militäruniformen betont. Als Hosen wurden die ledernen Kniehosen hervorgehoben und nur am Rande wurden Stoffhosen, wie sie der Stargarder Zuträger für das Germanische Nationalmuseum besorgte, erwähnt. Mehr Aufmerksamkeit galt, wie in anderen Landschaften auch, der Regionalkleidung der Frauen, die sie vereinzelt bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts trugen. Neben den vielen kurzen, übereinandergetragenen Röcken hob man vor allem die bestickten Kleidungsstücke hervor, wozu Halstuch, Schürze, Handschuhe und Strümpfe zählten. Nach Borchers waren sie Zeugnisse der Volkskunst. (62) Die Herstellung der in bunter Plattstichstickerei ausgeführten Halstücher und Schürzen lag in den Händen berufsmäßiger Stickerinnen, weswegen sie Holsten nicht zu den Erzeugnissen der "eigentlichen Volkskunst" rechnen wollte. (63) Teilweise konnten diese Stücke schon im Geschäft fertig gekauft werden. (64) Weniger Beachtung in der volkskundlichen Literatur des 20. Jahrhunderts fanden - wohl weil industrielle Erzeugnisse - buntbedruckte Halstücher und webgemusterte Schürzen. Eine derartige Schürze trägt die weibliche Figurine im Germanischen Nationalmuseum. Solche Schürzen nahmen sowohl Kretschmer als auch Zeitschriftenautoren aus den 1880er Jahren durchaus zur Kenntnis. (65)

Zur weiteren Sammlungsgeschichte

Während des Zweiten Weltkrieges wurden die Weizackertrachten des Germanischen Nationalmuseums und des Berliner Volkskundemuseums ausgelagert. Die Nürnberger Exponate überdauerten die Kriegswirren, wohingegen die reichen Berliner Bestände stark dezimiert wurden. Überkommen waren hier nur einige bestickte Schultertücher, Handschuhe, Strümpfe und Schürzen und die Teile der Kindertracht. 1952 erwarb das Nürnberger Museum aus Familienbesitz eine "bäuerliche Frauentracht aus dem Weizacker". (66) Dieser Ankauf war zielgerichtet für den Ausbau der so genannten "Heimatgedenkstätten", die die Kultur der Deutschen in den durch den Krieg verlorengegangenen Ostgebieten zeigen sollte, getätigt worden. (67) Gegründet wurde die Abteilung "Heimatgedenkstätten" auf eine museumseigene Initiative hin im Oktober 1951. Ziel des damals einzigen überregional ausgerichteten kulturgeschichtlichen deutschen Museums war es, die Kulturarbeit in den ehemaligen Ostprovinzen und die nationale Erinnerung wach zu halten. Den Grundstock bildeten die seit der Museumsgründung 1852 erworbenen Exponate aus den nun verlorenen Gebieten. Seit 1953 wurde der Ausbau der Abteilung finanziell durch das Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsbeschädigte unterstützt. Man war zudem bemüht, die Landsmannschaften selbst für das Vorhaben zu gewinnen. In der zeitweise drei Räume umfassenden Abteilung wurden sehr unterschiedlich geartete Objekte präsentiert. Neben bedeutenden kunsthistorischen Werken waren Zeugnisse der "Volkskunst" zu sehen. Es gibt keinen Hinweis, dass die Weizackertracht ausgestellt war. In der zweiten Hälfte der 1960er Jahre erschien es dem Museum nicht mehr zeitgemäß, die Sachzeugnisse aus den verlorenen Gebieten isoliert und aus ihrem historischen Kontext gerissen in gesonderten Räumen auszustellen, weil die Abteilung als aktuelle politische Demonstration und Provokation hätte verstanden werden können. Viele der volkskundlichen Objekte fristeten von nun an ihr Dasein endgültig im Depot, ohne das lange Zeit ein Interesse an ihrem zeit- oder kulturgeschichtlichen Wert gezeigt worden wäre. (68) Die Motivation der Vertriebenen, die meist dem funktionalen Zusammenhang schon längst entzogenen Regionalkleidungen mit auf die Flucht zu nehmen, wurde nicht festgehalten. Ob die Tracht als Symbol für die verlorene Heimat oder als Erinnerungsobjekt an eine bestimmte Person in den Westen gelangte, wurde damals im Museum nicht hinterfragt. (69)

Das Bundesministerium kaufte in der Folgezeit weitere Objekte aus ehemals deutschen Gebieten an und so kam 1968 als Leihgabe der Bundesrepublik Deutschland ein 1850 entstandenes Ölgemälde von Ludwig August Most in die Sammlungen des Germanischen Nationalmuseums. (70) Das Bild zeigt eine junge Frau in Weizackertracht am Spinnrad und am geöffneten Fenster einen älteren Mann. Das Werk trug den Titel "Der verliebte Alte" und befand sich im 19. Jahrhundert im Besitz des Danziger Kunstvereins. (71) Es ist das jüngst erworbene Objekt am Nürnberger Museum, das mit der Regionalkleidung des Weizackers im Zusammenhang steht.

Die beiden volkskundlichen Dauerausstellungen im Germanischen Nationalmuseum zum Thema Tracht der Nachkriegszeit von 1954 und 1969 präsentierten weiter die schon 1895 gezeigten, vom Kaufmann Vogel besorgten Trachten aus dem Weizacker. Die Ausstellungen waren nach regionalen Aspekten gegliedert.

Am Museum für deutsche Volkskunde in Berlin kaufte man 1968 Teile einer dort in Familienbesitz überlieferten Weizackertracht, die von einer zwischen 1840 und 1925 in Rackitt im ehemaligen Kreis Pyritz lebenden Frau getragen worden war. (72) Vermutlich waren diese Dinge ebenso im Fluchtgepäck wie die 1952 in Nürnberg angekauften Stücke. 1977 bekam das Berliner Museum eine Weizackertracht von einer in Diessen lebenden Frau geschenkt. Die Kleider wurden von ihrer 1876 geborenen, in Greifenhagen lebenden Mutter, einer Fabrikbesitzerin, erworben. (73) Die Spenderin nutzte sie in den 1920er Jahren selbst auf Festen des Deutschen Alpenvereins. Die Kleidungsstücke waren offenbar in der Familie ausschließlich zur Kostümierung getragen worden und hatten einen Funktionswandel erfahren.

Die Erwerbungen aus dem Weizacker der beiden überregional ausgerichteten volkskundlichen Sammlungen in Berlin und Nürnberg nach dem Zweiten Weltkrieg signalisieren den Wandel, den die Kleidungsstücke als Museumsobjekte unterlagen. Waren sie im ausgehenden 19. Jahrhundert Zeugnisse für eine durch die Industrialisierung vom Untergang bedrohten "Volkskultur", so waren sie nach dem Krieg mit seinen territorialen Verlusten ein Zeugnis für die verlorene Heimat. Die Objekte gelangten jeweils in Umbruchsituationen oder in deren Folge in die Museen. Trotz der Neuzugänge aus dem Weizacker wurden die Kulturgüter, die ohnehin nur ein kleines Segment der materiellen Kultur ausmachten, in der musealen, volkskundlichen Forschung nicht weiter untersucht. Möglicherweise liegt eine Ursache in der mangelnden Objektdichte. Das stark differenzierte System des Kleidertragens ließ sich am Beispiel der ausgestellten Museumstrachten meist nicht entschlüsseln. Weniger pittoreske Kleidungsstücke reizten Sammler offenbar ebenso wenig wie Maler. Die Abendmahlskleidung der Frauen aus dem Weizacker, die statt der roten bandbesetzten Röcke schwarze und statt der buntbestickten Schultertücher weiße zeigte, fand nur gelegentlich Eingang in die Museen. Der "alte", um 1890 ausgebildete museale Objektkanon bot auch noch weit über ein halbes Jahrhundert später die Leitlinien für die Auswahl der Exponate. Die durch die dreidimensionale Präsentation im Museum um 1900 fixierte Vorstellung der Weizackertracht sowie die häufigen "Bildzitate" prägen maßgeblich unser Bild von ihrem Aussehen. (74) Abweichungen irritieren. Die häufig konstruierten Museumstrachten wurden zu "Dirigenten der Erinnerung". (75)



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URL zur Zitation dieses Beitrages: https://www.bkge.de/weizackertracht/8031.html


Anmerkungen

(1) Aufseß 1978, hier S. 986.

(2) Essenwein 1978, hier S. 1015.

(3) Die kunst- und kulturgeschichtlichen Sammlungen 1882, S. 44f.

(4) Deneke 1978.

(5) Karasek 1989; Bauer 1997.

(6) Selheim 1997; dies. 2002.

(7) Kretschmer 1864/70, Tafel 2, 3; Kretschmer 1890, Tafel 9, 10.

(8) Wietersheim 1876-1878a, 57. Blatt; ders. 1876-1878b, 58. Blatt.

(9) Rosenberg 1905, Tafel 317.

(10) Iwan 1886; ders. 1889; Bauerntrachten 1889.

(11) Holsten 1914, S. 144.

(12) Stampa 1995, S. 269f.

(13) Abgebildet bei Müller 1893, S. 277; Führer durch die Sammlung 1914, Tafel 10; Wörner 1999, S. 177, S. 188, Anm. 166.

(14) Steinmann 1967, bes. S. 75-82.

(15) Ebd., S. 73.

(16) Museum für deutsche Volkstrachten 1895, S. 15f., Klitscher 1899, Abb. S. 365.

(17) Donatorenliste 1900, hier S. 171. Vgl. z.B. Führer durch die Sammlung 1914, S. 8 und Tafel 10.

(18) Weinhold 1900, hier S. 217.

(19) Monatsblätter 3 (1889), S. 91/92, S. 96, S. 175; Monatsblätter 4 (1890), S. 175; Monatsblätter 5 (1891), S. 27, S. 78, S. 174.

(20) 52. Jahresbericht 1890.

(21) Baltische Studien 42 (1892), S. 296.

(22) Kunkel 1972, hier S. 83.

(23) Verzeichnis 1903, hier S. 81.

(24) Kunkel 1929, S. 43.

(25) Schreiben von Otto Vogel, Stargard, an das Germanische Nationalmuseum (GNM), 9.5.1894, GNM Archiv, GNM-Akten, K. 84.

(26) GNM Archiv, GNM-Akten, K. 630.

(27) Schreiben von Otto Vogel, Stargard, an das GNM, 9.5.1894, GNM Archiv, GNM-Akten, K. 84.

(28) Ebd.

(29) Schreiben von Otto Vogel, Stargard, an das GNM, 16.5.1894, GNM Archiv, GNM-Akten, K. 84. - Inv. Nr. T 2023-2040, heute TSb 397.

(30) Ebd.

(31) Borchers 1932a, hier S. 211. Ebenso schilderte der Maler Franz Iwan die Tragweise der Hemden. Vgl. Iwan 1886, S. 7.

(32) Nerese-Wietholz 1902/03, hier S. 369.

(33) Schreiben von Otto Vogel, Stargard, an das GNM, 31.5.1894, GNM Archiv, GNM-Akten, K. 84.

(34) Schreiben von Otto Vogel, Stargard, an das GNM, 30.5.1894, GNM Archiv, GNM-Akten, K. 84.

(35) Inv. Nr. 333a. Nachträge Trachtengraphik Kling, Kastenmappe 1.

(36) Aufnahmen aus dem Atelier Proeger finden sich 1904 beziehungsweise 1914 in den Publikationen: Bilder aus dem pommerschen Weizacker. Trachten, Dorfanlagen, Bauernhäuser, Erzeugnisse des Hausgewerbes. Der 35. Allgemeinen Versammlung der Deutschen Anthropologischen Gesellschaft zu Greifswald dargebracht von der Gesellschaft für Pommersche Geschichte und Altertumskunde zu Stettin. Stettin 1904. Ein Teil der übrigen in der Publikation wiedergegebenen Bilder wurde bereits 1905 in die Veröffentlichung von Rosenberg übernommen. Rosenberg 1905. Alle Abbildungen fanden sich dann bei Holsten 1914.

(37) Schreiben von Otto Vogel, Stargard, an das GNM, 9.5.1894, GNM Archiv, GNM-Akten, K. 84.

(38) Schreiben von Otto Vogel, Stargard, an das GNM, 16.5.1894, GNM Archiv, GNM-Akten, K. 84.

(39) Schreiben von Otto Vogel, Stargard, an das GNM, 31.5.1894, GNM Archiv, GNM-Akten, K. 84. Deneke 1978, S. 917.

(40) ZR 1894/10407 a, Inv. Nr. T 1993-2000, heute TSb 396.

(41) Spätere Abbildungen: Helm 1932a, Tafel 8. Helm 1932b, Tafel 8. Deneke 1979, S. 10f., Abb. 4.

(42) Inv. Nr. Kling K 89.

(43) Inv. Nr. Kl 14100-14111.

(44) Von Wietersheim erwähnte eine Kindertracht, die sich durch nichts von der der Erwachsenen unterschied. Vgl. von Wietersheim 1876-1878b, S. 40.

(45) Schreiben von Otto Vogel, Stargard, an das GNM, 30.5.1894, GNM Archiv, GNM-Akten, K. 84.

(46) Biographisches Jahrbuch Bd. 6, 1901, S. Joseph Kürschner (Hg.), Deutscher Literaturkalender 1901, Sp. 116.

(47) Trachten im Waizacker 1869, hier S. 153.

(48) Bilder aus dem pommerschen Weizacker 1904.

(49) Zu Holsten: Herrmann-Winter 1995.

(50) Holsten: Volkskunde 1914, S. 131.

(51) Ebd., S. 136.

(52) Bake 1931.

(53) Pommersche Tracht Nr. 6, Brietzig; (Rock, Schürze).

(54) Helm 1932a, Tafel 8. Die Männertracht ist ohne hinein retuschiertes Gesicht abgebildet bei Helm 1932b, Tafel 8.

(55) Vgl. Borchers 1932a, S. 211.

(56) Erich 1934, Abb. 3; von Geramb 1935, 2. Bd., S. 245, Abb. 1.

(57) Vgl. dazu: Dröge 1995.

(58) Holsten 1911b, S. 1.

(59) Bilder aus dem pommerschen Weizacker 1904.

(60) Holsten 1914.

(61) Borchers 1932c.

(62) Ebd., S. 141.

(63) Holsten 1914, S. 133.

(64) Ebd., S. 134.

(65) Bauerntrachten 1889, hier S. 151.

(66) Germanisches Nationalmuseum, 97. Jahresbericht 1951-1954, Nürnberg 1955, S. 23. Inv. Nr. T 4730, heute TSb 922. Die Tracht besteht aus Leinenhemd, Mieder, Rock, besticktem Schultertuch, Schürze, Haube, Bernsteinkette, Umbindetasche, Strümpfen und Strumpfbändern.

(67) Dazu: Burian 1978, bes. S. 244-249.

(68) Solche Aspekte werden erst in der Neuaufstellung der Kleidung seit 2002 betrachtet. Vgl.: Zander-Seidel 2002, bes. das Kapitel "Tracht und Ideologie", S. 186-194.

(69) Dröge 2000, hier S. 5.

(70) Inv. Nr. Gm 1668.

(71) Frdl. Mitteilung von Dr. Kurt Dröge, Bundesinstitut für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa.

(72) Die Erwerbung umfasste Rock, Schürze, Schultertuch und Halbhandschuhe.

(73) Erworben wurden Haube, Rock, Strümpfe, Strumpfbänder, Schürze, Tasche, Schleife und Schultertuch.

(74) Kerkhoff-Hader 1987.

(75) Jong 2001.

Stand: 13.12.2011
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