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"Ostdeutsche Trachten"

Die Grundlage für die 1975 erschienene Veröffentlichung "Ostdeutsche Trachten" von Helga Palmer und Ingeborg Bansleben bilden die Aufzeichnungen von Gertrud Pesendorfer. (17) Diese hatte während des Zweiten Weltkrieges Zeichnungen und Beschreibungen von pommerschen Trachten zusammengetragen und in einer Trachtenmappe veröffentlicht. Die Zielsetzung, mit der diese Trachtendokumentation von der "Mittelstelle deutsche Tracht" in Innsbruck am Tiroler Volkskunstmuseum durchgeführt wurde, wird von Jörn Barfod in seinem Beitrag "Trachtenerneuerung in Pommern" ausführlich dargestellt.

Das erklärte Anliegen von Helga Palmer und Ingeborg Bansleben war, diese Aufzeichnungen für diejenigen nutzbar zu machen, die eine Tracht ihrer Heimat tatsächlich tragen wollen. Genau an dieser Stelle setze die "Erneuerung" an, unter der sie eine "bewusste Anpassung historischer Trachten an die Gegenwart" (18) verstehen. Explizit beschreiben sie, dass sie die von ihnen entworfenen Trachten an die modernen Erfordernisse in Bezug auf Hygiene und Bequemlichkeit angepasst haben und Materialien gewählt haben, die leicht und angenehm zu tragen und einfach zu pflegen sind. Sie schreiben: "Es sollte in Zukunft nicht mehr erforderlich sein, dass wir unsere Heimatverbundenheit - mangels eigenen Angebots - im bayerischen oder österreichischen Dirndl oder Trachtenanzug ausdrücken müssen, wie das so häufig bei Treffen und Veranstaltungen geschieht. Daß wir heute nicht nur Tracht tragen können, ist selbstverständlich, aber wir sollten sie bei passenden Gelegenheiten auch wieder tragen können - unbelastet von der Schwerfälligkeit, die den historischen Vorbildern aufgrund anderer Voraussetzungen oft anhaftet -, aus Freude an ihrer Schönheit, als bunten Farbtupfer in der Gleichmacherei der häufig wechselnden Tagesmoden, als Bekenntnis zur Heimat." (19)

Die Autorinnen greifen Erkenntnisse der volkskundlichen Forschung auf und sind sich dem Wandel und der je nach Anlass und Träger unterschiedlichen Ausformungen von Tracht bewusst. Sie sprechen sich gegen die Uniformität von Trachten aus und empfehlen, dem Gestaltungswillen der Einzelnen im Rahmen der festgelegten Form stets noch genügend Spielraum zu belassen. Auch wenn sie u.a. die Tracht als "Spiegel und Darstellung des Wesens eines Volksstammes" (20) verstehen, sind sie sich im Klaren darüber, dass die ostdeutschen Trachten vor der Vertreibung immer seltener in ihrer Ursprungsregion getragen worden sind. Ihrer Meinung nach spricht diese Tatsache aber nicht dagegen, sie heute wieder aufleben zu lassen: "Eigenes wird meistens erst bewusst in der Begegnung mit dem Fremden, im Zusammentreffen mit anderen Volksstämmen, anderen Völkern. So könnte auch die Tracht für viele heute eine ganz andere und tiefere Bedeutung gewinnen, als dies in der gesicherten Heimat, im Zusammenleben mit Menschen des gleichen Stammes der Fall war. (...) Auch das Tragen der heimatlichen Tracht gibt uns die Möglichkeit, immer wieder auf unsere Heimat aufmerksam zu machen, damit sie auch außerhalb der Landsmannschaften und Vertriebenenkreise nicht vergessen werden kann. Da die Heimatlandschaft verlorenging, ist die Tracht ein äußeres Zeichen der Verbundenheit mit ihr geworden." (21) Auch wenn Trachten eigentlich nur dort getragen werden sollten, wo sie gewachsen sind, stelle es eine Ausnahme dar, wenn es den Trachtenträgern nicht möglich sei, in ihrer angestammten Heimat zu leben. "Die Tracht ist so das Kleid der Heimat, mag man nun diesen Begriff enger oder weiter fassen." (22)

Wichtig ist, dass in Bezug auf die Weizackertracht bei Palmer und Bansleben im Grunde von einer "Erneuerung" der "Erneuerung" zu sprechen ist. Denn das in der Trachtenmappe von Gertrud Pesendorfer abgebildete Kleid aus dem Pyritzer Weizacker aus den 1930er Jahren beruht auf Vorlagen aus den Landjugendschulen und stellt eine Form dar, die mit der "traditionellen" Weizackertracht kaum noch Berührungspunkte hat. Auch wenn es nach dem heutigen Stand der Forschung offen bleiben muss, seit wann die Weizackertracht existiert, wie weit sie während des 19. Jahrhunderts verbreitet war und welche Ausformungen es gab (siehe den Beitrag von Gitta Böth ), so belegt doch eine Vielzahl an photographischen Zeugnissen, dass es um die Wende zum 20. Jahrhundert eine Form der Weizackertracht gegeben hat, die sich stark von der Kreation der Landjugendschulen unterschied, die während des Nationalsozialismus geschaffen wurde.


"Pommersche Volkstrachten" (1995)


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URL zur Zitation dieses Beitrages: https://www.bkge.de/weizackertracht/9240.html

Stand: 05.07.2005
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