Bundesadler und Schriftzug: Bundesinstitut für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa Collage aus Bildern des Bundesinstituts, einer historischen Karte, der Jahrhunderthalle in Breslau/Wrocław, der Immanuel-Kant-Statue in Königsberg/Kaliningrad und den Schriftzügen der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg und des Bundesinstituts
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Bildliche Darstellungen der Pyritzer Tracht

Im Archiv der Abteilung "Ethnographie Pommerns" befinden sich 41 Inventarkarten mit bildlichen Darstellungen der Pyritzer Tracht oder einzelner ihrer Elemente. Die Karten wurden in den 1930er Jahren von Dr. Walter Borchers zusammengestellt. Diese Sammlung besteht aus 52 Objekten und enthält 37 Photographien, elf Reproduktionen von Graphiken und Bildern sowie vier bunte Tuschzeichnungen. Es ist hier nicht möglich, alle erhaltenen Darstellungen detailliert zu beschreiben; die Analyse beschränkt sich auf die nach Meinung der Autorin interessantesten, nämlich diejenigen, die nicht bereits aus Publikationen bekannt sind, sowie solche, die Informationen zur Entwicklung der Pyritzer Tracht enthalten. Auf den Blättern überwiegen Abbildungen der Frauentracht und ihrer Elemente; die Männertracht wird nur elfmal gezeigt, davon siebenmal separat. Die Mehrzahl der Blätter trägt nur lapidare Bemerkungen über die regionale Herkunft; selten findet sich ein Hinweis auf einen konkreten Ort und das Entstehungsdatum des dargestellten Objekts, der Photographie oder der Dokumentation.

Die größte historische und dokumentarische Bedeutung kommt den authentischen Photographien aus der zweiten Hälfte des 19. und vom Anfang des 20. Jahrhunderts zu.

Zu dieser Kategorie zählt eine Aufnahme aus dem 19. Jahrhundert: ein junger Mann in langem, mit zwei Knopfreihen besetztem Bauernrock; die Ärmel mit breiten Manschetten haben je vier Knöpfe. Die Weste reicht bis zur Taille und wird auf der ganzen Länge mit glänzenden (Messing-)Knöpfen geschlossen; beiderseits des Verschlusses sind von den Schultern ab dieselben Knöpfe angebracht, allerdings enden diese Knopfreihen in Brusthöhe. Die Weste läuft aus in einem eng anliegenden Stehkragen. Die schmal geschnittene lederne (?) Hose wird vorn mit einem breiten Latz durch zwei Knöpfe geschlossen; sie steckt in bis über das Knie gezogenen (weißen?) Strümpfen, die oben mit Spitzenmuster versehen sind. Die weichen Schäfte der Schuhe reichen bis zur halben Wade. Eine zylinderförmige Pelzmütze, keck auf ein Ohr geschoben, vervollständigt die Tracht. An einem Finger der linken Hand prangt ein Siegelring.

Auf einem Photo derselben Zeit sehen wir zwei Männer mittleren Alters mit langen, zweireihig geknöpften Bauernröcken (ähnlich wie oben beschrieben; zu erkennen ist hier eine mit Patte und Knopf verzierte Tasche), unter den Schleifen der Halstücher lugen die Westen hervor. Um die Hüte mit breiter Krempe und flachem Boden ist ein breites (seidenes) Band gelegt, das hinten zu einer Schleife gebunden ist, deren Enden auf die Schultern fallen. Die Füße stecken in Schaftstiefeln.

FotoZur Gruppe der ältesten Aufnahmen gehört auch das Photo eines Ehepaares, das vor dem Haus sitzt. Der Mann ist bekleidet wie oben beschrieben und trägt eine Kopfbedeckung. Die Kleidung der Frau scheint für den Alltag bestimmt zu sein, sehr bescheiden und ohne Stickereien. Sie besteht aus einem ausladenden Rock (der kurz sein muss, denn er reicht in Sitzposition nicht auf den Boden) und einer glatten Perkalschürze, deren Bänder vorne in Taillenhöhe zur Schleife gebunden sind. Das Mieder wird verdeckt von einem einfarbigen, schmucklosen Tuch, die Ärmelmanschetten sind mit den drei charakteristischen Bändern verziert. Den Hals der Frau schmückt eine weiße Krause, auf dem Kopf trägt sie eine Haube mit den typischen Einbuchtungen an den Ohren, die von einer Atlasschleife unter dem Kinn gehalten wird. Die dicken (hellen) Wollsocken zeigen in der Mitte einen dunkleren senkrechten Streifen, die (kaum erkennbaren) Pantoffeln sind mit Fransen umnäht.

Die bisher beschriebenen Photographien sind unter freiem Himmel entstanden. Zwei Studioaufnahmen vom Anfang des 20. Jahrhunderts zeigen eine junge Frau, die in Front- und Seitenansicht die Pyritzer Festtagstracht präsentiert. Die Photographien sind koloriert, sodass sich in etwa die Farbzusammenstellung bestimmen lässt. Eine andere Aufnahme dokumentiert, in Dreiviertel-Rückansicht, eine in der Form ähnliche Tracht, auf die wir folglich jene Farbgebung übertragen können.

Alle diese Trachten charakterisiert der kurze, kaum bis zu den Knien reichende Rock (rot mit blauem Streifen am unteren Rand), reich gefältelt und ausladend (durch etliche darunter liegende Rockschichten). Die auf die halbe Wade fallenden Schürzen enden in Fransen und sind von vorn gesehen ganz mit violetten Blumen bestickt (?). Auf der Schwarzweiß-Photographie lugt unter dem Rock der Rand eines weißen Hemdes hervor; solche wadenlangen Hemden sind typisch für das nördliche Pyritzer Land. Auf allen Aufnahmen sind soeben die Mieder zu erkennen, die eigentlich unter den bis zur Taille reichenden, üppig mit floralen Ornamenten bestickten Tüchern verdeckt sind. Das kolorierte Photo zeigt blaue, gelbe, rosa und grüne Blumen auf schwarzem Grund. Die charakteristischen Kopfhauben (blau) haben viele bis unter die Taille hinabfallende Bänder aus Atlas (blau und grün) und Samt mit aufgedruckten Blumen (schwarz). Die Strumpfbänder der wollenen, bestickten Kniestrümpfe tragen Schmuckschleifen, die Pantoffeln sind flach und geschlossen.

Ungewöhnlich ist ein aus Brietzig/Brzesko stammendes Photo (1928) einer 89-jährigen Frau in der Alltagstracht einer Witwe. Die Frau trägt das Mieder mit den charakteristischen Ärmelabschlüssen, einen Rock bis zur halben Wade, ziemlich eng anliegend (ohne viele weitere darunter verborgene Röcke), unten ein breiter heller Streifen, ganz gestreift. Die Schürze von gleicher Länge hat schmale zweifarbige Streifen. Die Schultern bedeckt ein Wolltuch mit Fransen, aber ohne Stickschmuck. Die dunkle Haube mit deutlichen Einbuchtungen an den Ohren wird unter dem Kinn von einer großen Schleife gehalten. Die Bänder auf der Rückseite fallen bis unter die Taille. Auf den hellen Wollstrümpfen sind symmetrisch vier senkrechte Streifen angeordnet. Die flachen, geschlossenen Pantoffeln erinnern an Filzhausschuhe.

Diese Aufnahme ist wahrscheinlich die letzte, die eine Person dokumentiert, für welche die Pyritzer Volkstracht Alltags- und elegante Festtagskleidung zugleich darstellte. Mit einer gewissen Rührung betrachtet man die auf einen Stock gestützte Greisin. Sie wurde 1839 geboren, also kaum drei Jahre, nachdem Most die beschriebene Ölstudie einer Pyritzerin geschaffen hatte (vielleicht war das ihre Mutter?). Während ihres langen Lebens war diese Frau Zeugin erst des Aufblühens und dann der Veränderungen, die schließlich dazu führten, dass man aufhörte, die Volkstracht zu tragen.

Eine anderes Bild, eigentlich eine Folge von vier kleinen Aufnahmen aus dem Jahr 1934, zeigt gleichfalls die Frauentracht aus Brietzig in vier unterschiedlichen Posen. Es findet sich der Hinweis, dass die hier abgelichtete Frau Elisabeth Siede hieß. Eines dieser Photos diente als Modell für ein Ölportrait (eine Schwarzweißaufnahme ist erhalten), das E. Schulze 1936 angefertigt hat. Vom selben Photographen hat sich ein Männerportrait (1937) erhalten.

Die Reproduktionen, die sich in den Sammlungen des Archivs der Abteilung "Ethnographie Pommerns" befinden, betreffen zum großen Teil bekannte, serienmäßig herausgegebene ikonographische Darstellungen wie etwa kolorierte Reproduktionen von Illustrationen, die Albert Kretschmer 1864 angefertigt hat, oder solche, die bei Franz Lipperheide in Berlin herausgegeben wurden. Auch eine kolorierte Postkarte vom Anfang des 20. Jahrhunderts ist erhalten mit neun Frauen in Pyritzer Tracht; sie trägt in der oberen linken Ecke die Aufschrift: "Gruß aus Pyritz".

Die Reproduktion eines 1862 datierten Bildes von Ludwig August Most, das in Leipzig in der Ausstellung "Volkskultur in Bild und Musik" zu sehen war, zeigt eine Pyritzer Familienszene. Zentrale Figur ist ein junges Mädchen in Volkstracht, das sich in einem Wandspiegel betrachtet. Im Hintergrund, in einer kleinen Nische, sitzen die Eltern (ihre Kleidung lässt keine regionalen Besonderheiten erkennen).

Die Ausstattung des Raumes weist auf den Wohlstand hin, der im Hause herrscht. Das Mädchen dreht uns zu drei Vierteln den Rücken zu; es trägt einen ausladenden, gefältelten roten Rock mit grünem Streifen am unteren Rand. Die Schürze ist heller und länger als der Rock; unter letzterem schauen die grünen Schmuckschleifen der Strumpfbänder hervor und rote, grün bestickte Kniestrümpfe. Die flachen Schuhe haben keine Ferse. Über die weiße Bluse mit Krause hat das Mädchen ein ärmelloses schwarzes Mieder angelegt, seine Schultern bedeckt ein rotes Tuch ohne Fransen, das mit dem Rosenmotiv (in den Farben Rot, Grün, Gelb) bestickt ist. Die flache blaue Haube verhüllt die hellen Haare nur wenig; von gleicher Farbe sind die Hutbänder, unter dem Kinn und hinten auf der Haube gebunden.

Beim Vergleich dieses Bildes mit der 26 Jahre früher von gleicher Hand gemalten Ölskizze sind gewisse Änderungen an Einzelheiten der Pyritzer Frauentracht festzustellen: In dieser Zeit wurden die Röcke kürzer, und als Folge erweiterte man die Verzierung der Strümpfe um die Strumpfbänder mit Schleife. Auch die Stickmotivik veränderte sich: An die Stelle der Tulpe trat die Rose.

Puppe25 Archivkarten zeigen Details der Pyritzer Tracht. Unter den dargestellten Objekten sind auch solche, die bis heute als Originale in den Sammlungen liegen und daher oben schon besprochen wurden: ein Handschuh, ein Strumpfband, ein Nadeletui. Es gibt auch die Photographie einer Puppe in Pyritzer Tracht; die Aufnahme stammt von einer Ausstellung im Jahre 1932. Dies bestärkt uns in der Überzeugung, dass auch andere der abgelichteten Exponate sich vor dem Krieg in den Sammlungen des Pommerschen Landesmuseums befunden haben müssen.

Am zahlreichsten sind die Tücher vertreten (10), leider fehlen wie auch in anderen Fällen die Daten zu Herkunftsort, Farbgebung, Herstellung und Art der Erwerbung. Nur in einem Fall sehen wir in der Ecke eines Tuches, zentral in einem herzförmigen Ornament, das Monogramm A.R.R. und das Datum 1858. Alle Tücher sind mit reichem Plattstich verziert. Die Blumenmotive in Gestalt der dominierenden Rose, der Tulpe, eines Herzes sowie kleiner Blümchen und wellenförmiger Stengel sind abgetönt und von Bändern umwunden. Die Felder innerhalb der Blumen sind ausgefüllt mit anderen Blumenkompositionen, die sich nicht wiederholen (bei gleichem Muster variiert die Farbe). Die auch mit Flitter durchsetzte Stickerei erweckt den Eindruck einer gemalten Applikation.

Auffallend sind vor allem zwei Tücher, deren Schmuckwerk bescheidener und deren Motivik einfacher ist als bei den übrigen; sie deuten auf eine frühere Entstehungszeit (aber möglicherweise auch auf die Armut der Besitzerin) hin. Eines dieser Tücher ist nicht so überladen mit Stickereien wie die übrigen, es macht ihnen gegenüber den Eindruck einer ausgewogenen Eleganz; das Stickwerk enthält keinen Flitter, die Blumen sind umstickt (oder mit einem sehr dünnen Bändchen umsäumt). Der Rand des Tuches ist über den Fransen mit einer wellenförmigen Reihe aus Stengelchen verziert, die in der Spitze von einer flachen Rose abgeschlossen wird.

Tuch Tuch

Den Kern der Komposition bilden Blumen: ein rosettenförmiger Blumenstrauß in einer karierten Henkelvase steht im Zentrum. Nebenmotive sind eine Tulpe und eine siebenblättrige, fächerförmige Blume. Das Muster vervollständigen flache Blumen und etliche Stengel sowie die Motive der "Krähenfüße" und der Windmühlen. Das Innere der Blumen ist zart mit Mustern ausgefüllt, viel leere Fläche zurücklassend. Eben diese sparsame Art einer Stickdekoration, die den Eindruck von Leichtigkeit vermittelt, sowie die Motivik - Tulpe und Blumen in einer Vase - erinnern an die Ornamente des Tuchs auf Mosts Bild, was eine Entstehungszeit in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vermuten lässt.

Das zweite Tuch ist flach ausgebreitet, und wir sehen darauf zwei gestickte Muster, in hellem und in dunklem Farbton (das dunklere ist von Fransen gesäumt). Gewöhnlich wurden die Pyritzer Tücher überwiegend mit rotem Garn bestickt, blau war die Trauerfarbe oder wurde von älteren Frauen getragen. Ärmere Frauen bestickten das Tuch beidseitig mit diesen Farben, damit es zu verschiedenen Gelegenheiten getragen werden konnte; hier haben wir es wahrscheinlich mit einem solchen Fall zu tun. Die Stickerei ist mit Plattstich auf den Stoff gelegt und füllt im Grunde jedes Ornament aus. Die Konturen der einzelnen Elemente sind nicht mit Schmuckbändern oder Fäden nachgezeichnet, ebenso fehlt Flitter. Die Grundlage der beiden Motive ist die in einer Ecke befindliche stilisierte Vase, aus der ein Blumenstrauß emporsteigt; die wellig sich verwindenden Stengel bilden zu den Seiten auslaufend den Kanevas für andere kleine Blümchen. Die mit helleren Farben bestickte Seite hat Tulpen als Grundlage für den Blumenstrauß, die dunklere eine große Margerite.

Auf vier weiteren Blättern sind sehr sorgfältig mit farbiger Tusche Details der Kleidung zeichnerisch nachgebildet: eine mit Blumen bestickte Schürze in derselben Motivik wie die Tücher, ein blau-grünes Tuch, rote Strümpfe mit reichem floralen Stickwerk sowie Handschuhe: für den Sommer ein grüner Fingerhandschuh mit einer roten Rose auf dem Handrücken und mit in Tulpen auslaufenden Stengeln auf jedem Finger, für den Winter ein Fäustling aus Lammfell - das Vlies nach innen gewendet -, der in einer deutlichen Spitze endet und entlang der Naht mit Pelz besetzt ist. Der Fingerbereich ist mit goldenen Plattstickereien verziert. Die verwendeten Pflanzenmotive setzen sich aus zarten, unterschiedlich großen Stengeln zusammen, die eine stilisierte Tulpe und ein sechsblättriges Gänseblümchen einfassen.


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URL zur Zitation dieses Beitrages: https://www.bkge.de/weizackertracht/8364.html

Stand: 05.07.2005
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